11.12.2018

Keine Abgabe auf die Ausfuhr von im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten erzeugtem Strom

Die Mitgliedstaaten dürfen keine Abgabe auf die Ausfuhr von in ihrem Hoheitsgebiet erzeugter Elektrizität einführen. Eine solche Abgabe (mit gleicher Wirkung wie ein Zoll) ist nicht durch das Ziel gerechtfertigt, im Inland die Sicherheit der Elektrizitätsversorgung zu gewährleisten.

EuGH v. 6.12.2018, C-305/17
Der Sachverhalt:

Nachdem der Betrieb von zwei Blöcken eines slowakischen Kernkraftwerks eingestellt worden war, wurde im Jahr 2008 ein spezielles Entgelt für die Nutzung des Elektrizitätsnetzes auf die Ausfuhr von in der Slowakei erzeugter Elektrizität erhoben, um die Zuverlässigkeit und die Stabilität des Elektrizitätsnetzes in der Slowakei sicherzustellen.

Der Klägerin, einer Elektrizitätsversorgerin slowakischen Rechts, wurde daher die Zahlung eines Betrags von rd. 6,8 Mio. € als entsprechendes Entgelt auferlegt. Die Klägerin bezweifelt die Rechtmäßigkeit dieses Entgelts, das inzwischen nicht mehr angewandt wird. Mit ihrer Klage vor den slowakischen Gerichten machte sie geltend, es stelle eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll dar, deren Auferlegung der Grundsatz des freien Warenverkehrs verbiete.

Das mit der Sache befasste slowakische Bezirksgericht möchte im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens vom EuGH wissen, ob das fragliche Entgelt gegen diesen Grundsatz des Unionsrechts verstößt.

Die Gründe:

Das beanstandete Entgelt ist mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs nicht vereinbar.

Elektrizität ist eine Ware i.S.d. Unionsrechts. Eine Abgabe, die nicht auf eine Ware als solche, sondern auf die Nutzung des Netzes, das ihrer Übertragung dient, erhoben wird, ist insoweit als eine die Ware selbst treffende Abgabe anzusehen. Somit fällt das angegriffene Entgelt unter die Vorschriften des AEU-Vertrags über den freien Warenverkehr.

Dieses Entgelt trifft ausschließlich die in der Slowakei erzeugte und ausgeführte Elektrizität. Es wird aufgrund des Umstands erhoben, dass die Elektrizität über die Grenze verbracht wird. Das Vorbringen der Slowakei, aufgrund des Bestehens der gleichen Belastung für die in der Slowakei verbrauchte Elektrizität werde die in der Slowakei erzeugte und ausgeführte Elektrizität auf die gleiche Weise behandelt wie die in der Slowakei erzeugte und dort verbrauchte Elektrizität, überzeugt nicht. Denn diese beiden finanziellen Belastungen, von denen die eine vom Ausführer und die andere insbesondere vom Endkunden gezahlt werden, treffen die Elektrizität nicht auf der gleichen Handelsstufe. Das streitige Entgelt trifft die Ware gerade aufgrund des Grenzübertritts.

Daher stellt dieses Entgelt eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll dar, und zwar sowohl für die in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführte Elektrizität als auch für die aus dem Gebiet der EU ausgeführte Elektrizität. In Bezug auf Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten ist festzustellen, dass der Grundsatz des freien Warenverkehrs der Auferlegung einer solchen Abgabe entgegensteht. Hinsichtlich der Ausfuhren in Nicht-EU-Staaten ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Handelspolitik verpflichtet sind, deren Funktionieren beeinträchtigt wäre, wenn sie berechtigt wären, einseitig Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle auf Ausfuhren in Drittstaaten zu erheben.

Das Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung stellt eine grundlegende Vorschrift des Unionsrechts dar, für die im AEU-Vertrag keine Möglichkeit von Ausnahmen oder Rechtfertigungen vorgesehen ist, unabhängig davon, ob es sich um Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten oder deren Beziehungen zu Nicht-EU-Staaten handelt. Daher ist das im vorliegenden Fall beanstandete Entgelt mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs nicht vereinbar.

Linkhinweis:

EuGH PM Nr. 189 vom 6.12.2018
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