27.10.2014

Keine analoge Anwendung des insolvenzrechtlichen Kündigungsverbots für gemieteten Wohnraum auf Fälle der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft

Die gesetzliche Neuregelung in § 67c GenG rechtfertigt es nicht, auf eine vor ihrem Inkrafttreten vom Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft entgegen der bisherigen Rechtsprechung das insolvenzrechtliche Kündigungsverbot für gemieteten Wohnraum entsprechend anzuwenden (Bestätigung von BGH 19.3.2009, IX ZR 58/08).

BGH 18.9.2014, IX ZR 276/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Treuhänderin in dem am 10.5.2011 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des K (fortan: Schuldner). Der Schuldner ist Mitglied der beklagten Wohnungsgenossenschaft und nutzt mit seiner Ehefrau aufgrund eines gesonderten Nutzungsvertrags eine ihrer Wohnungen. Er hält Geschäftsanteile der Genossenschaft im Gesamtbetrag von 1.440 €, von denen er Anteile i.H.v. 500 € an seinen Vater abgetreten hat.

Geschäftsanteile in diesem Umfang mussten nach der Satzung der Beklagten übernommen werden, um den Nutzungsvertrag abschließen zu können. Eine von der Klägerin mit dem Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbarte Auslösung der Geschäftsanteile scheiterte, weil der Schuldner die ihm nachgelassene Ratenzahlung nicht einhielt. Hierauf kündigte die Klägerin am 14.6.2012 die Mitgliedschaft des Schuldners bei der Beklagten und forderte diese zur Auszahlung der Genossenschaftsanteile auf. Die Beklagte widersprach der Kündigung.

AG und LG wiesen die auf Zahlung von 940 € nebst Zinsen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Senat hat im Urteil vom 19.3.2009 (IX ZR 58/08) eine entsprechende Anwendung des § 109 Abs. 1 S. 2 InsO auf die Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft mit eingehender Begründung abgelehnt und damit die bis dahin bestehende Streitfrage entschieden. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, nunmehr anders zu entscheiden.

Eine andere rechtliche Beurteilung ist insbes. nicht wegen des Umstands geboten, dass der Gesetzgeber inzwischen in das GenG eine neue Norm eingefügt hat (§ 67c), nach der die Kündigung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft durch den Gläubiger oder den Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen ist. Diese Norm ist auf den hier zu entscheidenden Fall nicht anwendbar, weil sie erst am 19.7.2013, mithin mehr als ein Jahr nach der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung, in Kraft getreten ist. Die Änderung des GenG rechtfertigt es auch nicht, die bisherige Rechtsprechung zur Frage einer analogen Anwendung des § 109 Abs. 1 S. 2 InsO aufzugeben. Die spätere Änderung eines Gesetzes erlaubt nicht ohne weiteres den Schluss, der Gesetzgeber habe schon zu einem früheren Zeitpunkt einen entsprechenden Regelungswillen gehabt.

Auch im vorliegenden Zusammenhang ist ein solcher Rückschluss aus der Gesetzesänderung nicht zu ziehen. Die Begründung des Regierungsentwurfs zur neuen Vorschrift § 67c GenG stellt fest, dass nach bisheriger Rechtslage der Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Schuldners dessen Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft kündigen könne. Der BGH habe "klargestellt", dass das Kündigungsverbot des § 109 Abs. 1 S. 2 InsO in diesen Fällen nicht greife und auch eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht in Betracht komme. Diese Rechtslage sei unbefriedigend. Entgegen einem früheren Vorschlag des Bundesrates solle aber nicht das Kündigungsverbot des § 109 Abs. 1 S. 2 InsO auf die Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft erstreckt werden, weil dies die Interessen der Gläubiger nicht hinreichend berücksichtige.

Die weitere Begründung des Gesetzesentwurfs stellt den Unterschied zwischen der Situation eines Wohnraummieters und derjenigen des Nutzers einer Genossenschaftswohnung heraus und betont, dass wegen der Besonderheiten der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft anders als im Falle einer Wohnungsmiete kein generelles Kündigungsverbot gerechtfertigt sei. Die in das Genossenschaftsgesetz eingefügte gesetzliche Neuregelung knüpft deshalb das Verbot, die Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft zu kündigen, an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Zudem erweitert sie den Ausschluss der Kündigung auf Gläubiger, die ansonsten in der Einzelzwangsvollstreckung gegen den Schuldner unter den Voraussetzungen des § 66 GenG das Kündigungsrecht des Mitglieds an dessen Stelle ausüben können.

Damit hat der Gesetzgeber einen wesentlichen Unterschied zwischen der Rechtslage des Mitglieds einer Wohnungsgenossenschaft und derjenigen eines Wohnungsmieters, der maßgeblich einer analogen Anwendung des § 109 Abs. 1 S. 2 InsO entgegenstand, mit Wirkung für die Zukunft beseitigt. In Anbetracht dieser Umstände kann aus der gesetzlichen Neuregelung nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber schon bei Einfügung des § 109 Abs. 2 S. 1 in die Insolvenzordnung zum 1.12.2001 den Fall der Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft in diese Regelung einbezogen und dem Wohnungsgenossen dadurch den gleichen Schutz wie dem Mieter einer Wohnung gewährt hätte, wenn er die Situation des Wohnungsgenossen bedacht hätte.

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