23.02.2016

Keine Aussetzung nach § 8 KapMuG bei Entscheidungsreife

Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG ist für eine Aussetzung erforderlich, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn die Sache ohne weitere Beweiserhebungen und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist.

BGH 28.1.2016, III ZB 88/15
Der Sachverhalt:
Mitte 1999 hatte sich der Kläger auf Empfehlung der Beklagten als mittelbarer Kommanditist mit einer Einlage von 110.000 DM zzgl. 5 % Agio an einer KG beteiligt. Ende 2011 reichte der Kläger über seine vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten einer anwaltlichen Gütestelle einen "Antrag auf außergerichtliche Streitschlichtung" ein. Die Gütestelle unterrichtete die Beklagte hiervon. Nachdem diese zum Gütetermin nicht erschienen war, stellte die Gütestelle Ende 2012 das Scheitern des Verfahrens fest.

Im Juni 2013 reichte der Kläger dann beim LG Klage ein, gerichtet auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche finanziellen Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung ihre Ursachen haben. Der Kläger war der Ansicht, eine Schadensersatzpflicht der Beklagten ergebe zum einen aus der Beratung unter Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Emissionsprospekts und zum anderen daraus, dass die Berater der Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Beteiligung gezielt fehlerhaft geschult worden seien.

Im Februar 2014 stellte der Kläger einen Musterverfahrensantrag mit mehreren Feststellungszielen, die den Emissionsprospekt und die behaupteten Schulungsinhalte betrafen. Den Antrag verwarf das LG allerdings unter Hinweis auf die fehlende Entscheidungserheblichkeit der Feststellungsziele als unzulässig. Mit Urteil vom gleichen Tag wies es die Klage als unzulässig und unbegründet ab.

Im Berufungsverfahren bezifferte der Kläger seinen Klageanspruch hilfsweise - hinsichtlich der bisher eingetretenen Schäden. Daraufhin hat das OLG den Rechtsstreit mit Rücksicht auf den Vorlagebeschluss des LG gem. § 8 KapMuG ausgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hob der BGH den Beschluss des OLG auf.

Gründe:
Dem Verfahren ist Fortgang zu geben.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes fehlte es an der Entscheidungserheblichkeit der Feststellungsziele, da der Rechtsstreit wegen Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche des Klägers unabhängig vom Ausgang des Musterverfahrens i.S. einer sachlichen Abweisung der Klage entscheidungsreif war. Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG ist für eine Aussetzung erforderlich, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn die Sache ohne weitere Beweiserhebungen und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist.

Der Güteantrag des Klägers entsprach nicht den Anforderungen an die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs und vermochte deshalb keine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB herbeizuführen. Mangels wirksamer vorheriger Hemmung war die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB, die gem. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB am 1.1.2002 begonnen hatte, am Ende des 2.1.2012 (Montag) und somit vor Einreichung der Klage im Juni 2013 abgelaufen.

Der Güteantrag hat in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen. Ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist; eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten. Auch bedarf es für die Individualisierung nicht der Angabe von Einzelheiten, wie sie für die Substantiierung des anspruchsbegründenden Vorbringens erforderlich sind. Den vorgenannten Erfordernissen genügte der Güteantrag des Klägers Ende 2011 jedoch nicht.

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