26.01.2024

Keine Haftung der BaFin wegen Wirecard-Bilanzskandal

Die Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen der Marktmissbrauchsüberwachung und der Bilanzkontrolle bzgl. der Wirecard AG in dem Zeitraum von April 2015 bis Juni 2020 sind weder nach § 6 oder §§ 106 ff WpHG a.F. noch im Hinblick auf die Regelungen der Transparenz-Richtlinie oder der Marktmissbrauchsverordnung zu beanstanden. Bei voller Wahrung der Belange einer effektiven Bilanzkontrolle waren sie jedenfalls vertretbar.

BGH v. 10.1.2024 - III ZR 57/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die beklagte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der inzwischen insolventen Wirecard AG unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung und der unionsrechtlichen Staatshaftung auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagten, einer selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts, obliegt u.a. die Aufsicht über die Einhaltung der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Dies betrifft vor allem die Bilanzkontrolle und die Marktmissbrauchsüberwachung. In dem Zeitraum vom 21.12.2004 bis zum 31.12.2021 wurde die Bilanzkontrolle auf der Grundlage eines zweistufigen "Enforcement-Verfahrens" durchgeführt (§§ 37n ff WpHG a.F. bzw. - ab 3.1.2018 - §§ 106 ff WpHG a.F.).

Als Emittent von Aktien unterlag die Wirecard AG der Finanzmarkaufsicht und der Bilanzkontrolle durch die Beklagte. Die Jahres- und Konzernabschlüsse sowie Lageberichte der Wirecard AG hatte der Abschlussprüfer bis einschließlich für das Geschäftsjahr 2018 jeweils mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk testiert.

Am 18.6.2020 veröffentlichte die Wirecard AG eine Ad-hoc-Mitteilung, wonach der Abschlussprüfer mitgeteilt habe, dass über die Existenz von Bankguthaben auf Treuhandkonten i.H.v. insgesamt 1,9 Mrd. € (etwa ein Viertel der Konzernbilanzsumme) noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise vorlägen. Am 22.6.2020 gab der Vorstand der Wirecard AG mittels einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung bekannt, dass vermeintliches Vermögen i.H.v. 1,9 Mrd. € bei zwei Banken auf den Philippinen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehe. Drei Tage darauf beantragte die Wirecard AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, das am 25.8. 2020 durch das AG München eröffnet wurde. Bereits in den Jahren zuvor hatte es immer wieder Medienberichte, insbesondere in der "Financial Times", über (bilanzielle) Unregelmäßigkeiten im Wirecard-Konzern gegeben.

Das LG wies die auf Zahlung von rd. 65.000 € nebst Zinsen gerichtete Klage ab. Das OLG wies die Berufung des Klägers durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.

Das OLG hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) bzw. unter dem Gesichtspunkt des unionsrechtlichen Staathaftungsanspruchs zu Recht verneint. Die von der Beschwerde als grundsätzlich aufgeworfenen Rechtsfragen, insbesondere zu den Regelungen der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2011/34/EG (Transparenz-Richtlinie) sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung), sind nicht entscheidungserheblich.

Die Maßnahmen der Beklagten im Rahmen der Marktmissbrauchsüberwachung und der Bilanzkontrolle bzgl. der Wirecard AG in dem Zeitraum von April 2015 bis Juni 2020 sind weder nach § 6 oder §§ 106 ff WpHG a.F. noch im Hinblick auf die Regelungen der Transparenz-Richtlinie oder der Marktmissbrauchsverordnung zu beanstanden und waren bei voller Wahrung der Belange einer effektiven Bilanzkontrolle jedenfalls vertretbar. Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 1, 3 AEUV ist daher nicht veranlasst. Dies gilt ebenfalls für die Frage, ob § 4 Abs. 4 FinDAG im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung unanwendbar ist. Auch die anderen Rügen des Klägers (Divergenz zur Senatsrechtsprechung, rechtliches Gehör) greifen nicht durch.

Von einer weiteren Begründung hat der Senat gem. § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

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