01.12.2017

Keine Haftung eines französischen Haftpflichtversicherers gegenüber in Deutschland geschädigten Patientinnen

Der französische Haftpflichtversicherer des in Frankreich ansässigen Unternehmens, das Brustimplantate unter Verwendung minderwertigen Industriesilikons hergestellt hat, haftet nicht gegenüber in Deutschland geschädigten Patientinnen. Der Schutz dieser Haftpflichtversicherung ist auf das französische Staatsgebiet beschränkt.

OLG Hamm 19.6.2017, 3 U 30/17
Der Sachverhalt:
Die heute 65 Jahre alte Klägerin hatte sich im April 2007 in einer Essener Klinik Brustimplantate eines französischen Herstellers einsetzen lassen, von dem im Jahr 2010 bekannt wurde, dass er Implantate unter Verwendung minderwertigen Industriesilikons produziert hatte. Im März 2013 ließ die Klägerin ihre Implantate austauschen.

Vom beklagten Haftpflichtversicherer des zwischenzeitlich in Insolvenz gefallenen französischen Herstellers verlangte die Klägerin später Schadensersatz, u.a. 45.000 € Schmerzensgeld. Der beklagte Haftpflichtversicherer verweigerte die Zahlung und verwies darauf, dass er mit dem französischen Hersteller einen auf französisches Staatsgebiet beschränkten Versicherungsvertrag abgeschlossen habe. Die Klägerin war der Ansicht, dass die territoriale Begrenzung des Versicherungsschutzes gegen Gemeinschaftsrecht verstoße und daher nicht anzuwenden sei.

Das LG wies die gegen den französischen Haftpflichtversicherer gerichtete Schadensersatzklage ab. Auch die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb ohne Erfolg. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin kann von dem Versicherer keinen Schadensersatz beanspruchen.

Nach dem auf den Fall anwendbaren französischen Recht kann die Klägerin zwar einen Direktanspruch gegen den beklagten Versicherer geltend machen. Die Voraussetzungen eines derartigen Anspruches sind aber nicht erfüllt, da eine - unterstellte - Haftung des französischen Herstellers gegenüber der Klägerin vom Versicherungsverhältnis zwischen dem Hersteller und dem beklagten Versicherer nicht gedeckt ist. Die abgeschlossene Versicherung deckt nämlich ausschließlich Schadensfälle ab, die sich im französischen Mutterland oder in den französischen Überseegebieten ereignet haben. Hierzu gehört der vorliegende Fall allerdings nicht.

Die Implantate waren der Klägerin in Deutschland eingesetzt worden. Die Beschränkung des Versicherungsschutzes ist auch wirksam und diskriminiert die Klägerin nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. Wäre die Klägerin in Frankreich operiert worden, wäre sie nicht anders zu behandeln als eine ebenfalls dort operierte Französin. Umgekehrt wäre eine in Deutschland operierte Französin nicht besser gestellt als die Klägerin.

Hintergrund:
Das von der Patientin gegen die an der Zertifizierung der Silikonimplantate beteiligte Gesellschaft des TÜV Rheinland geführte Verfahren, das das LG Essen in erster Instanz von dem Verfahren gegen den französischen Haftpflichtversicherer abgetrennt hat, ist ebenfalls beim 3. Zivilsenat des OLG Hamm anhängig (Az. 3 U 125/17). In dem Verfahren ist noch kein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden.

Das OLG Hamm ist bislang mit 25 Verfahren befasst, in denen Patientinnen mit Brustimplantaten den französischen Haftpflichtversicherer in Anspruch nehmen bzw. genommen haben. In 16 dieser Verfahren hat das Gericht die Haftung des Haftpflichtversicherers rechtskräftig verneint. Neun Verfahren sind noch nicht entschieden. In diesen wird neben dem Haftpflichtversicherer die an der Zertifizierung beteiligte Gesellschaft des TÜV Rheinland in Anspruch genommen.

Außer der Klägerin nehmen zehn weitere Patientinnen, deren Klagen gegen den französischen Haftpflichtversicherer in zweiter Instanz bereits rechtskräftig abgewiesen wurden, ebenfalls die o.g. Gesellschaft des TÜV Rheinland in Anspruch. Diese Verfahren sind noch beim OLG Hamm anhängig.

Eine Haftung der Gesellschaft des TÜV Rheinland als "benannter Stelle" i.S.d. europäischen Richtlinie für Medizinprodukte (Richtlinie 93/42/EWG) hat der BGH in einem am 22.6.2017 entschiedenen Fall (Az. VII ZR 36/14) verneint.

Linkhinweis:

OLG Hamm Pressemitteilung vom 29.11.2017
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