09.10.2023

Keine Persönlichkeitsverletzung durch satirischen Beitrag über eigene Anwältin

Enthält ein satirischer Beitrag eine unrichtige Tatsachenbehauptung, kommt es für die rechtliche Beurteilung darauf an, ob für den Empfänger die typische Verfremdung oder Übertreibung dieses Genres erkennbar ist.

OLG Dresden v. 4.9.2023 - 4 U 1126/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Rechtsanwältin und hat den Beklagten zu 1) in einem Einspruchsverfahren vor dem AG Leipzig vertreten. Über die Verhandlung veröffentlichte der Beklagte zu 1) einen Artikel in dem vom Beklagten zu 2) verlegten Medium. Die Klägerin meint, durch verschiedene Äußerungen dieses Artikels schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht und ihrer Würde als Organ der Rechtspflege verletzt zu sein. Sie hält hierfür eine Geldentschädigung i.H.v. mindestens 10.000 € für gerechtfertigt.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Gründe:
Es fehlt vorliegend bereits an einer Persönlichkeitsrechtsverletzung. Das LG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die in dem Artikel enthaltene Berichterstattung über ihr - in die Sozialsphäre fallendes - Auftreten in einem Einspruchsverfahren über eine Verkehrsordnungswidrigkeit hinnehmen muss.

Die hiergegen mit der Berufung erhobenen Bedenken verkennen den anzusetzenden Prüfungsmaßstab. Wie aus der Überschrift "Blitzer-Ärgernis - Fahre nie bei Gelb ..." und dem durchgängig im Plauderton gehaltenen Artikel für den Durchschnittsleser erkennbar wird, handelt es sich hierbei um eine satirisch angelegte Glosse des Beklagten zu 1) über eine Gerichtsverhandlung in eigener Sache, der kolportagehaft gängige Klischees über die Justiz ("Treppen und Flure wie aus "Soko Leipzig" und "Tatort", "Vergitterte Fenster" "wartete die Zeit, die der Amtsschimmel durchtraben musste") reproduziert und nach Art einer Fabel mit einer abschließenden Moral ("die Häscher lauern überall, um dir finanziell das Fell über die Ohren zu ziehen") versehen ist. In diesen Kontext reiht sich die ebenfalls klischeehafte Beschreibung der Klägerin als Rechtsanwältin ein, der ein "filmreifer Auftritt" bescheinigt wird, bei dem sie mit "Gesetzen und Paragrafen abrufbereit angefüllt" gewesen sei. Von einem solchen Artikel erwartet der Leser keine Information, sondern vorrangig Unterhaltung.

Der Satire ist die Verfremdung, Verzerrung und Überzeichnung wesenseigen. Wird die beanstandete Äußerung im Rahmen eines satirischen Beitrags gemacht, ist sie daher nach ständiger Rechtsprechung zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts zunächst von ihrer satirischen Einkleidung zu befreien. Aussagekern und Einkleidung sind sodann einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zu unterziehen, wobei die Maßstäbe für die Beurteilung der Einkleidung anders und im Regelfall weniger streng sind als die für die Bewertung des Aussagekerns. Enthält der satirische Beitrag eine unrichtige Tatsachenbehauptung, so kommt es für die rechtliche Beurteilung auch darauf an, ob für den Empfänger erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire typische Verfremdung oder Übertreibung handelt, er sie also für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann, oder ob er zu der irrigen Einschätzung kommen kann, die Aussage sei tatsächlich wahr.

Auf dieser Grundlage ist hier für den Durchschnittsleser erkennbar, dass es sich bei dem Vergleich des Erscheinungsbilds der Klägerin im Gerichtssaal mit dem Auftreten einer "Dame vom Escort-Service" nicht um die Behauptung handelt, die Klägerin selbst übe einen solchen Beruf aus oder biete sexuelle Dienstleistungen an. Vielmehr handelt es sich hierbei um die satirische Einkleidung, mit der der Beklagte zu 1) seinen unmittelbaren persönlichen Eindruck von der Klägerin wiedergibt, der er einen "filmreifen Auftritt" attestiert. Dass er dabei die Begriffe "elegant, selbstbewusst und attraktiv" mit dem Bild einer "Dame vom Escort-Service" gleichsetzt, lässt lediglich den Schluss zu, dass es sich hierbei in den Augen des Verfassers um dessen eigenen Referenzpunkt für Eleganz handelt, setzt die Klägerin jedoch erkennbar nicht auf eine Stufe mit einer Prostituierten, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass gerade im Bereich der Satire - wie auch hier - die Grenzen des guten Geschmacks und des einwandfreien Sprachgebrauchs oft überschritten werden, eine "Niveaukontrolle" indes nicht stattfinden darf.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit in Zeiten der Polarisierung - eine neue Herausforderung für die Gerichte
Karl-Heinz Ladeur, AfP 2023, 295
AFP0056533

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