20.08.2018

Keine Pflicht zur Darlegung einer Vermögensdifferenz zu einem bestimmten Zeitpunkt

Für die Zulässigkeit der auf den Ausgleich eines Vermögensschadens gerichteten Feststellungsklage muss nicht dargelegt werden, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vermögensdifferenz besteht. Der Umstand, dass der Geschädigte nach dem Grundsatz der Schadenseinheit zur Hemmung der Verjährung seines Ersatzanspruchs regelmäßig innerhalb von drei Jahren nach der ersten Vermögenseinbuße eine Feststellungsklage erheben und die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts darlegen muss, spricht für eine großzügige Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte die Wahrscheinlichkeit eines Vermögensschadens hinreichend dargelegt hat.

BGH 26.7.2018, I ZR 274/16
Der Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt ein Finanzdienstleistungsunternehmen. Der Kläger hatte im Jahr 1999 auf Vermittlung eines für die Beklagte tätigen Beraters zwei fondsgebundene Lebensversicherungen bei der H. Lebensversicherung AG abgeschlossen. Es war jeweils ein monatlicher Beitrag von 1.000 DM (511,29 €) zu zahlen. Im Jahr 2006 sprach der seinerzeit für die Beklagte tätige Berater S. den Kläger und dessen Ehefrau darauf an, ob Interesse an Steueroptimierungen bestehe. Daraufhin veranlasste der Kläger eine Absenkung des monatlichen Beitrags zu den beiden Lebensversicherungen auf jeweils 90,58 € und schloss außerdem eine "topinvest fondsgebundene Basisrente" (sog. Rürup-Rente) bei der H. Lebensversicherung AG mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.600 € ab.

Nachdem der Kläger einige Jahre später ein weiteres Gespräch mit einem anderen Mitarbeiter der Beklagten geführt hatte, gelangte er zu der Ansicht, dass die Reduzierung seiner Beiträge zu den Lebensversicherungen und der Abschluss der Rentenversicherung im Jahre 2006 für ihn wirtschaftlich nachteilig gewesen waren. Infolgedessen erhob er im Jahr 2013 Klage auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 88.755 € und Feststellung, dass die Beklagte ihm jeden darüber hinausgehenden Vermögensschaden für die Zeit ab dem 1.12.2006 zu ersetzen hat, der im Zusammenhang mit der Vermittlung der topinvest fondsgebundenen Basisrente bei der H. Lebensversicherung AG steht.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als hinsichtlich des Feststellungsantrags zum Nachteil des Klägers erkannt worden war und wies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage mit dem Zahlungsantrag gewendet hat. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Schadensersatzbetrags i.H.v. 88.755 €. Der Kläger habe in erster Instanz einen Vermögensschaden in dieser Höhe nicht schlüssig dargetan. In zweiter Instanz sei sein Vorbringen teilweise neu und daher nicht zu berücksichtigen, jedenfalls aber insgesamt nicht schlüssig. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage mit dem Feststellungsantrag gerichtet hat, führt sie allerdings zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das OLG. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hatte der Kläger bereits in erster Instanz hinreichend zur Wahrscheinlichkeit eines ihm durch die fehlerhafte Beratung entstandenen Vermögensschadens vorgetragen. Das OLG hat zu Unrecht angenommen, der Sachvortrag des Klägers sei nicht hinreichend substantiiert, weil der Kläger keine auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogene Vermögensdifferenz dargetan habe. Die Zulässigkeit der auf den Ausgleich eines Vermögensschadens gerichteten Feststellungsklage setzt die Darlegung von Tatsachen voraus, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt; dazu muss aber nicht dargelegt werden, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vermögensdifferenz besteht.

Außerdem spricht der Umstand, dass der Geschädigte nach dem Grundsatz der Schadenseinheit zur Hemmung der Verjährung seines Ersatzanspruchs regelmäßig innerhalb von drei Jahren nach der ersten Vermögenseinbuße eine Feststellungsklage erheben und die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts darlegen muss, für eine großzügige Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte die Wahrscheinlichkeit eines Vermögensschadens hinreichend dargelegt hat. Da der Kläger nicht einmal pflichtgemäß auf die Möglichkeit einer Vergleichsberechnung hingewiesen worden war, ist nach dem Grundsatz des beratungsgerechten Verhaltens jedenfalls zu vermuten, dass er sich im Falle des gebotenen Hinweises ohne eine solche Berechnung nicht zu einer Umschichtung entschlossen hätte. Danach ist es Sache der Beklagten, diese Vermutung zu entkräften.

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