Keine Staatshaftungsansprüche für Sportwettenanbieter wegen Europarechtsverstoß
BGH 18.10.2012, III ZR 196/11 u.a.Die Klägerin verfügte für die Veranstaltung von Sportwetten über eine Erlaubnis der gibraltarischen Behörden. Diese Sportwetten vertrieb sie in Bayern auch über Wettbüros, die von selbständigen Geschäftsbesorgern geführt wurden. Die beklagten Städte untersagten im Jahr 2005 unter Bezugnahme auf den bis zum 31.12.2007 gültigen Staatsvertrag zum Lotteriewesen einem dieser Geschäftsbesorger die Vermittlung der Sportwetten, weil er nicht die erforderliche staatliche Erlaubnis besaß. Außerdem ordneten sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügungen an.
Die hiergegen gerichteten Widersprüche und bei den Verwaltungsgerichten gestellte Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Rechtsbehelfe blieben erfolglos. Nachdem der EuGH mit Urteilen vom 8.9.2010 das deutsche Sportwettenmonopol für mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (früher Art. 49 EGV) unvereinbar erklärt hatte, forderte die Klägerin Schadensersatz für die aufgrund der Untersagungsverfügungen entgangenen Gewinne in den Jahren 2006 und 2007.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH ohne Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin kann gegen die beklagten Kommunen keine Schadensersatzansprüche aus Staatshaftung geltend machen.
Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist nach EuGH-Rechtsprechung, dass die betreffende öffentliche Körperschaft in "hinreichend qualifizierter" Weise gegen Unionsrecht verstoßen hat. Hierfür sind u.a. das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie die Fragen entscheidend, ob der Verstoß vorsätzlich begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist.
Die Tatsache, dass die Behörden und Gerichte in Bayern aufgrund des in dem seinerzeit gültigen Staatsvertrag geregelten Sportwettenmonopols die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers unterbanden und der bayerische Gesetzgeber das Monopol aufrecht erhielt, stellte keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar. Aufgrund der bis zum Jahr 2005 ergangenen EuGH-Rechtsprechung zu Sportwettenmonopolen in anderen Mitgliedstaaten war noch nicht hinreichend klar, dass die Ausgestaltung des Monopols in Deutschland europarechtswidrig war.
Zwar hat das BVerfG in seinem Urteil vom 28.3.2006 entschieden, dass die in den deutschen Bundesländern geltenden Regelungen zum Sportwettenmonopol wegen fehlender Stimmigkeit verfassungswidrig seien. Allerdings hat es ausgeführt, dass die insoweit bestehenden Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu denen liefen, die das europäische Gemeinschaftsrecht an derartige Monopole stelle. Insofern durften die bayerischen Behörden und Gerichte sowie der Landtag auch nach dieser Entscheidung davon ausgehen, dass der Vertrieb von Sportwetten durch andere Anbieter als die Monopolgesellschaften auch nach dem europäischen Recht weiter unterbunden werden durfte.
Das BVerfG ließ eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2007 für die Fortgeltung der Monopolvorschriften gewähren. In dieser Zeit durften die Regelungen nur unter bestimmten Maßgaben, die den vom Gericht beanstandeten Unstimmigkeiten entgegenwirkten, angewandt werden. Die Behörden, Gerichte und Gesetzgeber durften deshalb davon ausgehen, dass bei Einhaltung dieser Maßgaben schon vor der gesetzlichen Neuregelung der Sportwetten ein verfassungs- und aufgrund der Parallelität der Anforderungen auch ein unionrechtskonformer Zustand hergestellt wurde. Dass in Bayern die Maßgaben eingehalten wurden, ist den Behörden in einer Vielzahl von, zum Teil auch vom BVerfG gebilligten, Verwaltungsgerichtsentscheidungen bestätigt worden.
Linkhinweise:
- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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