Keine unzulässige Schmähkritik bei vergleichender polemischer Kritik gegenüber Politiker in einer Tageszeitung
OLG Frankfurt a.M. 12.9.2012, 16 W 36/12Der Antragsteller ist ehemaliger Politiker, ehemaliges Vorstandsmitglied einer Bank und Autor verschiedener Bücher. Die Antragsgegnerin ist Herausgeberin einer Tageszeitung. Im Juni 2012 erschien ein Artikel des Antragstellers in einer weiteren Zeitung. Darin befasste er sich auch mit den Themen seiner letzten Buchveröffentlichung. Daraufhin erschien in der Tageszeitung der Antragsgegnerin ein Artikel, in dem es hieß, der Antragsteller werde inzwischen von Journalisten benutzt wie eine alte Hure, die zwar billig sei, aber für ihre Zwecke immer noch ganz brauchbar, wenn man sie auch etwas aufhübschen müsse. "Fragt sich nur, wer da Hure und wer Drübersteiger ist?".
Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, was diese ablehnte. Der Antragsteller war der Auffassung, dass es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um eine unzulässige Schmähkritik handele. Das LG wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Auch die sofortigen Beschwerde bzw. die Beschwerde des Antragstellers vor dem OLG blieben erfolglos.
Die Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. §§ 935 ff. ZPO war zurückzuweisen, da es für das Unterlassungsbegehren an einem Verfügungsanspruch fehlte.
Die streitgegenständliche Äußerung stellte eine Meinungsäußerung dar, weil der vorgenommene Vergleich stark von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt war. Infolgedessen stritten die Parteien lediglich über die Frage, ob die Grenze zur Schmähkritik überschritten worden war. Bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage - wie hier - liegt eine Schmähkritik allerdings nur dann vor, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik ist dabei nicht überschritten, wenn die Meinungsäußerung einen hinreichenden Bezug zu dem sachlichen Anliegen aufweist, um das es dem Äußernden geht.
Infolgedessen war hier - entgegen der Auffassung des Antragstellers - die Grenze zur Schmähkritik noch nicht überschritten. Der Antragsteller wurde in der streitgegenständlichen Veröffentlichung nicht als billige alte Hure bezeichnet, die man aufhübschen müsse. Vielmehr enthielt die Veröffentlichung einen Vergleich, und zwar zwischen dem Antragsteller und seinem Verhältnis zur Presse und umgekehrt. Die Antragsgegnerin äußerte die Ansicht, dass Antragsteller und Journalisten sich gegenseitig benutzen wie ein Freier eine Prostituierte benutzt, wobei jeweils offen blieb, wer in diesem Vergleich der Freier und wer die Prostituierte war.
Dass die Antragsgegnerin auch überspitzte Formulierungen verwendete, war unschädlich, da auch polemische oder überspitzte Kritik von den Grundrechten auf Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist. Außerdem hatte die Äußerung auch durchaus einen sachlichen Bezug, denn der Verfasser des Artikels knüpfte an einen Artikel des Antragstellers an. Ob die Schlussfolgerung des Autors richtig, die Meinung also überzeugend war oder nicht, spielte keine Rolle.
Da der Antragsteller eine Person des öffentlichen Lebens ist, war er nicht als reine Privatperson betroffen, so dass die Grenze zur Schmähkritik ohnehin weiter hinausgeschoben werden konnte. Personen des öffentlichen Lebens müssen sich insoweit weitergehende Einschränkungen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gefallen lassen als Privatleute. Da der Antragsteller zur Veröffentlichung seiner Ideen und Meinungen sich selbst der Presse bedient, muss er sich auch gefallen lassen, wenn sein Verhältnis zur Presse kritisch, polemisch, überspitzt und unsachlich betrachtet wird.
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