15.05.2018

Keine Verzinsung einer Geldschuld aus unerlaubter Handlung ab Fälligkeit wegen Zusammenhang mit Handelsgeschäft

Eine Geldschuld aus unerlaubter Handlung ist nicht gem. § 353 S. 1 HGB ab Fälligkeit zu verzinsen, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem beiderseitigen Handelsgeschäft entstanden ist.

BGH 27.2.2018, VI ZR 121/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin zu 2) produziert Fensterprofile aus Kunststoff. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1), einer Firmen-Holding. Diese ist Eigentümerin der Anlage und des Geländes, die sie an die Klägerin zu 2) verpachtet. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) bestellte 1997 bei der Beklagten zu 2), die ihren Firmensitz in Italien hat, zwei Kunststoffmischer. Die Beklagte zu 2) lieferte diese an die Betriebsstätte der Klägerin zu 2) und wirkte an der Inbetriebnahme mit. Die Steuerung der beiden Mischer lieferte die Beklagte zu 1).

Im Juli 2005 kam es zu einem Störfall. An der Steuereinheit der Mischer. Die Klägerin zu 2) beauftragte die Beklagte zu 1), die Störungen zu beheben. Der sich im Betrieb befindliche Mischer schaltetet sich nicht ab, wodurch es zu einer Überhitzung des Kunststoffmaterials kam und Chlorwasserstoff austrat. Dieser bildete mit der Luftfeuchtigkeit Salzsäure, die sich im Gebäude auf den Geräten verteilte. Die Klägerinnen forderten die Beklagten im Juli 2009 unter Fristsetzung bis zum 5.8.2009 zum Ersatz des durch den Störfall entstandenen Schadens auf. Mit ihrer Klage verlangten die Klägerinnen neben den eigentlichen Schadensbeseitigungskosten und Verzugszinsen weitere Zinsen i.H.v. rd. 112.000 € aus dem Zeitraum vor dem 6.8.2009, also vor Beginn des Verzugs an die Klägerin zu 2) zu zahlen. Sie stützten diese Forderung auf § 353 S. 1 HGB.

Das Landgericht gab der Schadensersatzklage weitgehend statt und wies aber den weiteren Zinsanspruch ab. Auf die Berufungen der Klägerinnen und Beklagten stellte das OLG mit Grundurteil fest, dass die Beklagten dem Grunde nach verpflichtet seien, der Klägerin zu 2) die Schäden zu ersetzen, die durch den Störfall entstanden seien. Die Beklagte zu 2) hafte nach § 823 Abs. 1 BGB. Der vertragliche Schadensersatzanspruch sei verjährt. Mit Urteil vom 22.2.2017 gab das OLG der Klage - auch hinsichtlich des weiteren Zinsanspruchs - statt. Die auf die Abweisung des weiteren Zinsanspruchs gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Sie führte insoweit zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG.

Die Gründe:
Mit der Begründung des OLG kann ein weiterer Zinsanspruch gegen die Beklagte zu 2) vor Eintritt des Verzugs nicht bejaht werden. Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist nicht gem. § 353 S. 1 HGB zu verzinsen.

Nach § 353 S. 1 HGB können Kaufleute für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften bereits von Fälligkeit an Zinsen fordern. Es ist fraglich, ob diese Regelung auch auf Schadensersatzansprüche zwischen Kaufleuten aus unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB anwendbar ist. Die Auffassung im Schrifttum ist geteilt. Ein Teil ist der Auffassung, dass Ansprüche aus unerlaubter Handlung zumindest dann Forderungen aus Handelsgeschäften sein können, wenn die unerlaubte Handlung in einem inneren Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft steht. Nach anderer Auffassung sind unerlaubte Handlungen keine Handelsgeschäfte i.S.v. § 343 Abs. 1 HGB. Es wird kritisiert, dass das Merkmal im "inneren Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft" zu unbestimmt sei.

Der BGH schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Dass ein Vertragspartner im Zusammenhang mit Handelsgeschäften unerlaubte Handlungen begehen kann, macht diese und die daraus resultierenden gesetzlichen Schuldverhältnisse nicht selbst zu Handelsgeschäften. § 353 S. 1 HGB ist im Hinblick auf seine bereits für rechtsgeschäftliche Ansprüche von Kaufleuten untereinander zweifelhaft gewordene ratio legis eng auszulegen. Eine Ungleichbehandlung von Kaufleuten und Nichtkaufleuten in Bezug auf Zinsrecht ist aus heutiger Sicht zudem kaum nachvollziehbar. Die gebotene enge Auslegung steht einer Erstreckung auf Forderungen aus unerlaubter Handlung entgegen.

Für dieses Ergebnis spricht auch, dass es sich bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung regelmäßig um eine echte Anspruchskonkurrenz handelt mit der Folge, dass jeder Anspruch selbstständig zu beurteilen ist. Dies gilt auch für die Zuordnung der gesetzlichen Zinsansprüche.

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