29.04.2013

Keine voläufige Aussetzung des im RBStV geregelten Meldedatenabgleichs

Der Bayerische VGH hat in einem Popularklageverfahren auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen. Bei dem im RBStV geregelten Meldedatenabgleich handelt es sich um ein effizientes Kontrollinstrument, mit dem in der Umstellungsphase der Rundfunkgebühr eine verlässliche und möglichst vollständige Erfassung der Rundfunkbeitragsschuldner im privaten Bereich in einem überschaubaren Zeitraum sichergestellt werden soll; er dient damit der Vermeidung von Vollzugsdefiziten und einer größeren Beitragsgerechtigkeit.

Bayerischer VGH 18.4.2013, Vf. 8-VII-12 u.a.
Der Sachverhalt:
Durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wird die bisherige geräteabhängige Rundfunkgebühr durch einen geräteunabhängigen Wohnungs- und Betriebsstättenbeitrag ersetzt. Mit der Popularklage wendet sich der Antragsteller gegen die Vorschriften zur Rundfunkbeitragspflicht im privaten (§ 2 Abs. 1 RBStV) und im nicht privaten Bereich (§ 5 Abs. 1 und 2 RBStV), die seiner Meinung nach insbes. gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) und das Grundrecht der Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) verstoßen.

Weiter beanstandet er u.a. den einmaligen Meldedatenabgleich nach § 14 Abs. 9 RBStV. Um einen Datenabgleich zur Bestands- und Ersterfassung der Beitragsschuldner zu ermöglichen, übermittelt auf dieser Grundlage jede Meldebehörde bestimmte Daten aller volljährigen Personen (vor allem Familienname, Vornamen, frühere Namen, Doktorgrad, Familienstand, Geburtsdatum, Tag des Einzugs) an die jeweils zuständige Landesrundfunkanstalt. Der Antragsteller rügt insoweit eine Verletzung des durch Art. 101, 100 BV gewährleisteten Anspruchs auf informationelle Selbstbestimmung.

Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung will der Antragsteller erreichen, dass der bereits angelaufene Vollzug dieses Meldedatenabgleichs vorläufig bis zu einer Entscheidung über die Popularklage ganz oder zumindest teilweise ausgesetzt wird.

Der Bayerische VGH wies den Antrag ab.

Die Gründe:
Bei der gebotenen Abwägung der Folgen die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Popularklage aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Popularklage aber der Erfolg zu versagen wäre, überwiegen die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe.

Es ist bereits fraglich, ob und inwieweit der Zustimmungsbeschluss des Landtags (Art. 72 Abs. 2 BV) zu einem Staatsvertrag nach dessen Inkrafttreten durch eine einstweilige Anordnung ausgesetzt werden kann. Denn eine Entscheidung des VGH kann den Freistaat Bayern grundsätzlich nicht von seiner aus dem bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Bundestreue folgenden Verpflichtung entbinden, die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags anzuwenden. Diese Frage konnte vorliegend jedoch offenbleiben, weil bereits die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorliegen.

Bei dem Meldedatenabgleich handelt es sich um ein effizientes Kontrollinstrument, mit dem in der Umstellungsphase eine verlässliche und möglichst vollständige Erfassung der Rundfunkbeitragsschuldner im privaten Bereich in einem überschaubaren Zeitraum sichergestellt werden soll. Er dient damit der Vermeidung von Vollzugsdefiziten und einer größeren Beitragsgerechtigkeit. Eine Aussetzung würde zumindest vorübergehend eine gleichmäßige Beitragserhebung in erheblicher Weise beeinträchtigen, und zwar sowohl im Freistaat Bayern selbst als auch im Verhältnis zu den übrigen Ländern mit Auswirkungen auf sämtliche den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bildenden Anstalten und Körperschaften. Demgegenüber haben die Nachteile, die den Betroffenen durch die Übermittlung der in § 14 Abs. 9 S. 1 RBStV genannten Daten an die Landesrundfunkanstalt entstehen, zurückzutreten.

Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang das Interesse, beitragsrelevante Sachverhalte nicht zu offenbaren und nicht als Beitragsschuldner identifiziert zu werden. Die Nachteile, die mit der Datenübermittlung und -verarbeitung ohne Kenntnis und Einwilligung der Betroffenen und ggf. nachfolgenden Auskunftsverlangen seitens der Landesrundfunkanstalt verbunden sind, haben auch für diejenigen Personen, die später nicht als Beitragsschuldner herangezogen werden, eher geringes Gewicht. Die Meldedaten, die von den Einwohnermeldeämtern nach dem abschließenden Katalog des § 14 Abs. 9 S. 1 RBStV zu übermitteln sind, decken sich im Wesentlichen mit denjenigen Daten, die nach § 8 Abs. 1, 4 und § 14 Abs. 1 RBStV von den Betroffenen anzuzeigen sind. Soweit sie darüber hinausreichen, wie die Übermittlung von Doktorgrad und Familienstand (§ 14 Abs. 9 S. 1 Nrn. 4 und 5 RBStV), dienen sie der eindeutigen Identifikation und können die Zuordnung der Mitbewohner in einer Wohnung erleichtern.

Der vom Antragsteller beanstandeten Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwohnungen (§ 14 Abs. 9 S. 1 Nr. 7 RBStV) kommt ebenfalls kein ausschlaggebendes Gewicht zu; deren Kenntnis mag zwar für den Beitragstatbestand des § 2 Abs. 1 RBStV ("jede Wohnung") unerheblich sein, sie erleichtert aber ggf. erforderliche Nachfragen beim Betroffenen und knüpft i.Ü. lediglich an die melderechtlich vorgegebenen Begrifflichkeiten beim Innehaben mehrerer Wohnungen an. Weiter spricht gegen eine Aussetzung des Zustimmungsbeschlusses zu § 14 Abs. 9 RBStV, dass die von den Meldebehörden übermittelten Daten bei der Landesrundfunkanstalt (und der gemeinsamen Stelle i.S.d. § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV) durch eine strikte Zweckbindung und strenge Löschungspflichten abgesichert sind.

Linkhinweis:

Bayerischer VGH PM vom 22.4.2013
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