19.01.2016

Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kündigung eines Verbraucherdarlehens infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers

§ 497 Abs. 1 BGB (in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung) enthält eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung bei notleidenden Krediten, die vom Darlehensgeber infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt worden sind. Die Vorschrift schließt die Geltendmachung einer als Ersatz des Erfüllungsinteresses verlangten Vorfälligkeitsentschädigung aus.

BGH 19.1.2016, XI ZR 103/15
Der Sachverhalt:
Die beklagte Kreissparkasse gewährte zwei nicht am Rechtsstreit beteiligten natürlichen Personen im Jahr 2004 jeweils ein zum 30.11.2016 fälliges Verbraucherdarlehen, für deren Rückzahlung u.a. eine Grundschuld an einem Grundstück als Sicherheit diente, das im Eigentum einer aus den Darlehensnehmern und dem Kläger bestehenden GbR stand.

Im Jahr 2010 und 2011 kündigte die Beklagte die beiden Darlehen vorzeitig wegen Zahlungsverzugs der Darlehensnehmer, stellte die noch offene Darlehensvaluta fällig und begehrte ferner die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. rd. 77.000 € und 10.000 €. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zahlte der Kläger an die beklagte Kreissparkasse - ohne Anweisung der Darlehensnehmer - die verlangte Vorfälligkeitsentschädigung i.H.d. noch offenen Betrags von insgesamt rd. 25.000 €, wobei er sich deren Überprüfung dem Grunde und der Höhe nach vorbehielt.

LG und OLG wiesen die u.a. auf Rückzahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil teilweise auf und verurteilte die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung der begehrten 25.000 € nebst Zinsen.

Die Gründe:
Die umstrittene Frage, ob der Darlehensgeber bei der außerordentlichen Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrags infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers anstelle des Verzögerungsschadens eine Vorfälligkeitsentschädigung als Ersatz seines Nichterfüllungsschadens verlangen kann, wird vom Wortlaut des § 497 Abs. 1 BGB in der hier maßgeblichen bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung nicht eindeutig beantwortet. Nach dieser Vorschrift hat der Darlehensnehmer, der mit seiner Zahlungsverpflichtung in Verzug kommt, den geschuldeten Betrag mit dem dort festgelegten Verzugszinssatz zu verzinsen. Ob damit gleichzeitig eine Sperrwirkung verbunden ist, so dass eine andere Form des Schadensersatzes nicht geltend gemacht werden kann, ist dem Wortlaut der Vorschrift selbst nicht zu entnehmen.

Allerdings sprechen hierfür die Gesetzgebungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Vorschrift. Laut Gesetzesbegründung sollte "der Verzugszins nach Schadensersatzgesichtspunkten zu ermitteln und ein Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausgeschlossen" sein. So wollte der Gesetzgeber die Schadensberechnungsmöglichkeiten einer einfachen und praktikablen Neuregelung zuführen. Außerdem sollte mit der Festlegung der Höhe des Verzugszinses auch dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden, die Höhe der Mehraufwendungen im Verzugsfall selbst zu berechnen. Dieses Ziel der (Prozess-)Vereinfachung würde jedoch nicht erreicht, wenn der Darlehensgeber anstelle der einfachen Verzugszinsberechnung auf die im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bestehenden Zahlungsrückstände eine Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen könnte.

Vor allem aber würde bei Zubilligung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die im Ausgangspunkt auf dem Vertragszins beruht, das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers, einen Rückgriff auf den Vertragszins für die Schadensberechnung nach Wirksamwerden der Kündigung grundsätzlich auszuschließen, verfehlt. Soweit damit - was bereits gegen die Vorgängerregelung eingewendet worden ist - für den Bereich des Verbraucherdarlehensgeschäfts eine Besserstellung des vertragsbrüchigen gegenüber dem vertragstreuen Schuldner verbunden sein sollte, hat der Gesetzgeber dies bewusst in Kauf genommen, indem er bei Überführung des § 11 VerbrKrG in das BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu einer Änderung der Rechtslage keinen Anlass gesehen hat, sondern ganz im Gegenteil den Anwendungsbereich des § 497 Abs. 1 BGB sogar noch auf Immobiliardarlehensverträge ausgedehnt hat.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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BGH PM Nr. 13 vom 19.1.2016
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