30.09.2015

Keine zwangsläufige Kennzeichnungsschwäche durch Aufnahme einer Buchstabenfolge in ein Abkürzungswörterbuch

Die Annahme der Kennzeichnungsschwäche eines aus einer Buchstabenfolge bestehenden Zeichens (hier: ISET / ISETsolar) kann nicht allein darauf gestützt werden, dass diese Buchstabenfolge in ein Abkürzungswörterbuch aufgenommen wurde. Ein solcher Eintrag ist keine hinreichende Grundlage für die Feststellung, dass eine Abkürzung dem gängigen Sprachgebrauch entspricht und deshalb vom angesprochenen Verkehr als beschreibend aufgefasst wird.

BGH 2.4.2015, I ZB 2/14
Der Sachverhalt:
Die Markeninhaberin hatte im Juni 2009 die Wort-Bild-Marke "ISETsolar" in orange und königsblau u.a. für die Dienstleistungen Montagegestelle aus Metall zur Befestigung von Solarsystemen sowie Solarmodulen und Laminaten angemeldet. Die Marke wurde im Januar 2010 in das Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen und sodann veröffentlicht.

Die Widersprechende hat aus der im Februar 2006 angemeldeten und im Mai 2007 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke "ISET" Widerspruch erhoben. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die angegriffene Marke für die Dienstleistungen wie Bereitstellung von elektronischen Publikationen gelöscht und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. Das BPatG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden zurück. Auf deren Rechtsbeschwerde hob der BGH die Entscheidung auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurück.

Gründe:
Das BPatG hatte die Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG rechtsfehlerhaft verneint.

Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt.

Zu Unrecht war die Vorinstanz davon ausgegangen, die Widerspruchsmarke verfüge nur über eine schwache Kennzeichnungskraft; ihr Schutz erstrecke sich nur auf identische Zeichen. Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Marken, die über einen für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen erkennbar beschreibenden Anklang verfügen, haben regelmäßig nur geringe originäre Kennzeichnungskraft. Eine Buchstabenfolge verfügt im Regelfall von Haus aus über normale Unterscheidungskraft, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine Schwächung der Unterscheidungskraft bestehen. Eine solche Schwächung der Kennzeichnungskraft kann sich daraus ergeben, dass die Wortfolge für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an beschreibende Begriffe angelehnt ist.

Die Annahme des BPatG, der Verkehr verstehe eine Abkürzung als beschreibend, wenn deren beschreibender Gehalt durch Aufnahme in ein Abkürzungswörterbuch der Öffentlichkeit zugänglich sei, erwies sich bei Zugrundelegung der Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der betroffenen Waren und Dienstleistungen als erfahrungswidrig. Es konnte nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche in einem Abkürzungswörterbuch erläuterten Akronyme dem gängigen Sprachgebrauch entsprechen und dass deshalb ohne weiteres die Annahme zutraf, der angesprochene Verkehr habe Kenntnis von der jeweiligen Bedeutung einer Abkürzung. Vielmehr bedarf es weiterer Anhaltspunkte, um auf ein beschreibendes Verständnis des angesprochenen Verkehrs zu schließen.

Linkhinweis:

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