Kinder dürfen Gummibärchenaroma kaufen
OLG Hamm 7.3.2017, 4 U 162/16Die klagende Gesellschaft aus Lünen und der Beklagte aus Bünde handeln über das Internet u.a. mit Liquids und Aromen für E-Zigaretten. Die zum Dampfen benötigten Liquids werden als Basisliquids oder Fertigmischungen angeboten. Den Basisliquids, die Nikotin enthalten können, aber nicht müssen, können je nach Geschmack Aromastoffe zugegeben werden. Ein solches nikotinfreies "Aroma Gummibärchen" hatte der Beklagte über eine Internethandelsplattform zum Verkauf angeboten. Ausweislich der Artikelbeschreibung ist das Aroma u.a. zum Kochen und Backen, zur Verfeinerung von Getränken und zur Aromatisierung von E-Liquids geeignet. Diese Aromastoffe versandte der Beklagte in der Vergangenheit ohne Altersverifikation.
Die Klägerin war der Ansicht, dass das Angebot des Beklagten gegen § 10 Abs. 3, Abs. 4 JuSchG, wonach E-Zigaretten und deren Zubehör - als solches vertreibe der Beklagte den Aromastoff - nur nach Altersverifikation verkauft und versandt werden dürften. Der Beklagte meinte hingegen, ein handelsübliches Lebensmittelaroma zu vertreiben, das ohne Altersbeschränkung abgesetzt werden dürfe.
Das LG wies die Unterlassungsklage ab. Auch die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb ohne Erfolg. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Das Angebot und der Versand der infrage stehenden Aromastoffe für E-Zigaretten durch den Beklagten wird nicht durch § 10 Abs. 3, Abs. 4 JSchG beschränkt.
§ 10 Abs. 3 JSchG schützt Kinder und Jugendliche vor Tabakwaren, anderen nikotinhaltigen Erzeugnissen und deren Behältnissen, die an sie im Versandhandel weder angeboten noch abgegeben werden dürfen. § 10 Abs. 4 JSchG erstreckt das Verbot auf nikotinfreie Erzeugnisse wie elektronische Zigaretten oder elektronische Shishas, in denen Flüssigkeit durch ein elektronisches Heizelement verdampft und die entstehenden Aerosole mit dem Mund eingeatmet werden, sowie auf deren Behältnisse. Der im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Verbotsnorm des § 10 Abs. 4 JSchG unterfallen somit nur E-Zigaretten und E-Shishas, nicht aber der vom Beklagten vertriebene Aromastoff.
Auch die Behältnisse mit diesem Aromastoff werden von dem Verbot nicht erfasst. Nach dem Gesetzeswortlaut regelt die Vorschrift nur den Umgang mit solchen Behältnissen, in denen elektronische Zigaretten und Shishas aufbewahrt werden, und nicht den Umgang mit Behältnissen für Aromastoffe. Nach der Gesetzesbegründung sind Nachfüllbehälter zwar auch Behältnisse i.S.d. Vorschrift. Hierunter fallen nach der Gesetzessystematik jedoch allenfalls Nachfüllbehälter mit sog. E-Liquids, die als Basisliquid oder Fertigmischungen zum Nachfüllen der E-Zigaretten und E-Shishas verwendet werden können. Der Gesetzeszweck erfordert auch hier keine weitergehende Auslegung: Jugendliche und Kinder werden bereits dadurch vor Gesundheitsrisiken geschützt, dass die zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der nikotinfreien Erzeugnisse unerlässlichen Elemente der Altersverifikation unterliegen.