25.04.2016

Klagen wegen Umstrukturierung des zyprischen Bankensektors zu Recht abgewiesen

Das EuG hat nach Ansicht der Generalanwälte Wathelet und Wahl die Klagen auf Nichtigerklärung und Schadensersatz in Bezug auf die Umstrukturierung des zyprischen Bankensektors zu Recht abgewiesen. Weder die Erklärung der Euro-Gruppe noch das vom ESM und Zypern erstellte Memorandum of Understanding können der Kommission und der EZB zugerechnet werden, so dass die Unionsgerichte nicht dafür zuständig sind, über die gegen diese Texte gerichteten Nichtigkeitsklagen zu befinden, und keine außervertragliche Haftung der Union besteht.

EuGH, C-8/15 P u.a.: Schlussanträge des Generalanwalts vom 21.4.2016
Der Sachverhalt:
2012 gerieten mehrere in Zypern ansässige Banken in finanzielle Schwierigkeiten. Die zyprische Regierung bat deshalb die aus den Finanzministern der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets bestehende Euro-Gruppe um finanzielle Unterstützung. Die Euro-Gruppe antwortete darauf, dass die gewünschte finanzielle Unterstützung vom ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) im Rahmen eines makroökonomischen Anpassungsprogramms gewährt werden würde, das in einem Memorandum of Understanding festgelegt werden sollte. Die Verhandlungen über dieses Protokoll wurden von der EU-Kommission zusammen mit der EZB und dem IWF auf der einen und den zyprischen Behörden auf der anderen Seite geführt. Im März 2013 gab die Euro-Gruppe in einer Erklärung bekannt, dass die Verhandlungen zu einem Entwurf eines Memorandum of Understanding über die Umstrukturierung der Banken BoC und der Laïki geführt hätten. Der ESM schloss daraufhin mit Zypern das Memorandum of Understanding und gewährte eine finanzielle Unterstützung.

Mehrere zyprische Einzelpersonen sowie eine Gesellschaft mit Sitz in Zypern waren Inhaber von Einlagen bei der BoC und der Laïki. Die Anwendung der mit den zyprischen Behörden vereinbarten Maßnahmen führte zu einem erheblichen Wertverlust dieser Einlagen. Daraufhin erhoben die betroffenen Einzelpersonen und die genannte Gesellschaft beim EuG Klage auf Ersatz des Wertverlustes, den ihre Einlagen ihrer Ansicht nach durch den Erlass des Memorandum of Understanding erlitten haben, und auf Nichtigerklärung der in diesem Memorandum vorgesehenen streitigen Maßnahmen. Außerdem erhoben sieben zyprische Einzelpersonen Klage beim Gericht auf Nichtigerklärung der Erklärung der Euro-Gruppe vom März 2013 über die Umstrukturierung des zyprischen Bankensektors.

Das EuG wies die Klagen als im Wesentlichen unzulässig ab. Die Kommission und die EZB seien nicht die Urheber des erlassenen Memorandum of Understanding. Der ESM gehöre nicht zu den Unionsorganen. Die Erklärung der Euro-Gruppe könne weder der Kommission und der EZB zugerechnet werden noch Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugen. Im Übrigen wies das EuG die Klagen als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend ab, weil die Kläger nicht mit Sicherheit nachgewiesen hätten, dass der von ihnen geltend gemachte Schaden tatsächlich durch eine Untätigkeit der Kommission verursacht worden sei. Daraufhin beantragten die Einzelpersonen und die Gesellschaft beim EuGH, die Beschlüsse des Gerichts aufzuheben.

Die Generalanwälte Melchior Wathelet und Nils WahI schlagen in ihren Schlussanträgen dem EuGH vor, die Beschlüsse des EuG zu bestätigen.

Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts:
Das EuG hat mit seiner Feststellung, die Erklärung der Euro-Gruppe könne der Kommission und der EZB nicht zugerechnet werden, keinen Rechtsfehler begangen. Die Kommission und die EZB treten nämlich im Rahmen des Verfahrens des finanziellen Beistands nicht in ihrem eigenen Namen, sondern lediglich als Beauftragte des ESM auf, um das Memorandum of Understanding auszuhandeln, zu überwachen und zu unterzeichnen. Im Übrigen hat das EuG zutreffend darauf hingewiesen, dass der Euro-Gruppe von der Kommission oder der EZB keine Befugnisse übertragen worden sind, und ebenso wenig können diese Organe der Euro-Gruppe gegenüber Aufsichtsbefugnisse wahrnehmen oder ihr Empfehlungen oder gar bindende Weisungen erteilen.

Im Übrigen hat das EuG zu Recht entschieden, dass die Erklärung der Euro-Gruppe keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugen und deshalb vor den Unionsgerichten nicht angefochten werden kann. Die in der streitigen Erklärung verwendeten Begriffe lassen das Fehlen einer Entscheidung mit verbindlichen Rechtswirkungen erkennen und bringen dadurch klar den rein informativen Inhalt der Erklärung zum Ausdruck.

Im Hinblick auf die Schadensersatzklagen ist festzustellen, dass der Schaden, der den Einzelpersonen durch den Abschluss des Memorandum of Understanding zwischen dem ESM und Zypern entstanden sein soll, nicht von einem Organ der EU verursacht worden ist. Denn zum einen ist der ESM kein Unionsorgan und zum anderen können die Kommission und die EZB nicht als Urheber des Memorandum of Understanding angesehen werden, da die der Kommission und der EZB im Rahmen des ESM-Vertrags übertragenen Funktionen keine Entscheidungsbefugnis im eigentlichen Sinne umfassten und nur den ESM verpflichteten.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Einzelpersonen, die meinen, durch dieses Memorandum verletzt worden zu sein, bei den nationalen Gerichten Haftungsklage gegen die betreffenden Staaten erheben können, denn für das Memorandum of Understanding sind der ESM und letztlich die Staaten, aus denen dieser sich zusammensetzt, verantwortlich. Im Hinblick auf die gegen das Memorandum of Understanding gerichteten Nichtigkeitsklagen hat das EuG mit seiner Feststellung, dass die Klagen unzulässig seien, keinen Rechtsfehler begangen. Die Unionsgerichte sind nur für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union zuständig und weder der ESM noch Zypern sind derartige Unionsorgane.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 44 vom 21.4.2016
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