Kostenausgleichsvereinbarung zwischen Lebensversicherung und Kunde im "Nettopolicenmodell" nichtig
OLG Karlsruhe 19.9.2013, 12 U 85/13Die Parteien streiten darüber, ob der Versicherer von seinem Kunden nach Kündigung des Lebensversicherungsvertrages noch die vollständigen Abschluss- und Einrichtungskosten verlangen kann. Die Beklagte beantragte bei der Klägerin, einem in Liechtenstein ansässigen Lebensversicherer, im September 2011 eine fondsgebundene Rentenversicherung sowie, in einem gesonderten Vordruck, den Abschluss einer "Kostenausgleichsvereinbarung".
Für die Versicherung war die Zahlung eines mtl. Beitrags von 200 € vorgesehen und im Versicherungsantrag weiter geregelt, dass in den ersten 60 Monaten der Versicherungsbeitrag um die mtl. Teilzahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten reduziert werde. Der Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung sah vor, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten von zusammen 6.720 € in mtl. Teilzahlungen erbracht werden. Er enthielt den Hinweis, dass dem Antragsteller bekannt sei, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen könne und die Auflösung des Versicherungsvertrages grundsätzlich nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führe, sondern die Kosten auch im Falle einer Kündigung zu bezahlen seien.
Die Beklagte bezahlte bis Ende April 2012 die vereinbarten Raten, dann widerrief sie, erklärte die Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung und kündigte sie mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Zahlung der nach ihrer Auffassung noch offenen rd. 5.200 €. Die Beklagte macht demgegenüber u.a. geltend, sie habe die Kostenausgleichsvereinbarung wirksam widerrufen. I.Ü. sei diese nichtig, da ein Umgehungsgeschäft zu § 169 Abs. 5 S. 2 VVG gegeben sei.
Das LG gab der Klage statt; die Kostenausgleichsvereinbarung sei nicht nichtig und verstoße auch nicht gegen die Regelung über allgemeine Geschäftsbedingungen. Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG das Urteil auf und wies die Klage ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.
Die Gründe:
Der Abschluss der Kostenausgleichsvereinbarung verstößt jedenfalls in der hier gewählten Ausgestaltung des "Nettopolicenmodells", in dem die Kostenausgleichsvereinbarung nicht mit einem Versicherungsmakler oder -vermittler, sondern unmittelbar mit dem Versicherer geschlossen wird, durch Umgehung gegen ein gesetzliches Verbot und ist daher nichtig.
Eine Gesetzesumgehung liegt vor, wenn die Gestaltung eines Rechtsgeschäfts objektiv den Zweck hat, den Eintritt einer Rechtsfolge zu verhindern, die das Gesetz für derartige Geschäfte vorsieht. § 169 Abs. 5 S. 2 VVG verbietet dem Versicherer einen Stornoabzug für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten bei Kündigung. Damit soll verhindert werden, dass die Kündigung des Versicherungsvertrages durch eine Art Vertragsstrafe erschwert wird und der Versicherungsnehmer faktisch von einer Kündigung abgehalten wird, weil er einen Stornoabzug für Abschluss- und Vermittlungskosten hinnehmen muss, ohne dafür eine Gegenleistung in Form der Fortführung des Versicherungsvertrags zu erhalten.
Dieser Effekt würde aber bei der hier gewählten Gestaltung eintreten. So wird dem Versicherungsnehmer durch die Kostenausgleichsvereinbarung bei näherer Überlegung zwar bewusst, dass ihm ein erheblicher Teil seiner Beiträge wirtschaftlich nicht zu Gute kommt, sondern der Gegenwert von knapp drei Beitragsjahren auf "Abschluss- und Einrichtungskosten" bezahlt wird. Wenn wie hier von den gleichmäßig zu zahlenden Beiträgen von mtl. 200 € mtl. 112 € auf die "Abschluss- und Einrichtungskosten" verrechnet werden, bewirkt dies aber, dass die Beitragszahlung für den Versicherungsnehmer wirtschaftlich genauso abläuft wie bei einer sonst üblichen Bruttopolice, bei der das Verbot des Stornoabzugs gelten würde. Dann jedoch kann das Verbot auch nicht außer Acht bleiben, wenn der Versicherer zwar Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung formal trennt, sie wirtschaftlich aber durch eine Verrechnung eines Teils des Beitrags zur Versicherung auf die Kostenausgleichsvereinbarung wieder zusammenfasst.
Im Übrigen sind diejenigen Klauseln, die den Versicherungsnehmer zur Fortzahlung der Leistungen auf die Kostenausgleichsvereinbarung auch nach einer Kündigung der Versicherung verpflichten, als AGB wegen Intransparenz unwirksam. Intransparenz liegt schon in der Gestaltung der Vertragsunterlagen. Zwar ist in den Bedingungen offengelegt, dass die "Abschluss- und Einrichtungskosten" separat über eine Kostenausgleichsvereinbarung abgegolten werden sollen und es heißt, dass die Kostenausgleichsvereinbarung nicht gekündigt werden kann. Durch die übrige Gestaltung des Vertragsverhältnisses wird aber der Eindruck erweckt, dass die Verträge miteinander stehen und fallen. Das ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Zahlungen zu beiden Verträgen nicht gesondert verlangt werden, sondern ein durchgehend einheitlicher gemeinsamer Betrag vereinbart worden ist, der dann teilweise auf die Abschluss- und Einrichtungskosten verrechnet werden soll.
Darüber hinaus stellt sich die Klausel auch als überraschend dar. Ein Verbraucher, der einen Versicherungsvertrag abschließen will und dafür einen Makler hinzuzieht, wird in Betracht ziehen, dass der Makler für seine Tätigkeit eine Vergütung erwartet, und damit rechnen, dass er die für die Beratung auch dann zahlen muss, wenn er den Vertrag nicht bis zum Ende durchführt. Im Verhältnis zum Versicherer stellt sich die Situation jedoch anders dar. Der Versicherungsvermittler bietet gerade keine unabhängige Beratungsleistung an, der Versicherungsinteressent wird in der Regel nicht damit rechnen, dass er die Aufwendungen, die der Versicherer für den Verkauf seiner Produkte macht, auch dann noch mit laufenden mtl. Beträgen mitfinanziere muss, wenn er den verkauften Versicherungsvertrag bereits aufgegeben hat.