Kostenrecht: Vertretung einer GmbH und des geschäftsführenden Rechtsanwalts durch sich selbst bei Tätigwerden eines weiteren Rechtsanwalts
BGH 20.6.2017, VI ZB 55/16Der Rechtsbeschwerdeführer (Beklagter zu 3) wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Kläger und Rechtsbeschwerdegegner nahm den rechtsbeschwerdeführenden Rechtsanwalt und eine GmbH (Beklagte zu 4), deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Rechtsbeschwerdeführer ist, erfolglos auf Schadensersatz in Anspruch. Nachdem sich der Rechtsbeschwerdeführer zunächst selbst gegen die Klage verteidigt hatte, ließ er nach Erweiterung der Klage gegen die Beklagte zu 4) durch eine in seiner Kanzlei tätige Rechtsanwältin mitteilen, dass er nunmehr von dieser vertreten werde. Er selbst meldete sich als Prozessbevollmächtigter für die Beklagte zu 4). In der Klageerwiderung und weiteren Schriftsätzen machte er Ausführungen zur Sache sowohl für die Beklagte zu 4) als auch für sich selbst. Seine Prozessbevollmächtigte bezog sich auf diese Ausführungen sowie auf diejenigen der weiteren Beklagten. Den Termin zur mündlichen Verhandlung nahm der Rechtsbeschwerdeführer für die Beklagte zu 4) sowie für sich selbst wahr.
Das LG wies die Klage ab. Der Kläger legte hiergegen Berufung ein. Nachdem aufgrund eines gestellten Insolvenzantrags ein allgemeines Verfügungsverbot ergangen und sodann über das Vermögen der Beklagten zu 4) das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, nahm der Kläger die gegen die Beklagte zu 4) eingelegte Berufung nach Verständigung mit dem Insolvenzverwalter zurück. Die auf Verurteilung des Beklagten zu 3) gerichtete Berufung des Klägers wies das Berufungsgericht zurück. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte der Insolvenzverwalter der Beklagten zu 4) die Kostenfestsetzung auf der Basis, dass der Kläger den Beklagten zu 3) und 4) jeweils die Hälfte der Kosten für die Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu erstatten habe. Das LG setzte diese Kosten mit (gegenüber dem Insolvenzverwalter der Beklagten zu 4) rechtskräftigem Beschluss vom 15.10.2015 antragsgemäß fest.
Der Beklagte zu 3) und hiesige Rechtsbeschwerdeführer beantragte - soweit hier noch erheblich - die Festsetzung von Kosten für die erste Instanz in voller Höhe. Der Rechtspfleger setzte sie unter Berücksichtigung eines Erhöhungszuschlags für die Mehrvertretung lediglich zur Hälfte fest, weil die Beauftragung zweier Rechtsanwälte nicht notwendig gewesen sei. Das OLG wies die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers zurück. Die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 3) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass dem Beklagten zu 3) lediglich ein Anspruch auf Ersatz der hälftigen Kosten zusteht.
Zu Unrecht geht das OLG davon aus, dass die Beklagten zu 3) und 4) zwei unterschiedliche Rechtsanwälte mit ihrer Vertretung beauftragt haben, denen voneinander unabhängige Vergütungsansprüche gegenüber ihren jeweiligen Mandanten zustehen. Die Beklagten zu 3) und 4) sind vielmehr durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt - den Beklagten zu 3) - vertreten worden. Schon aus diesem Grund und nicht aufgrund rechtsmissbräuchlichen Verhaltens sind die Anwaltskosten der in der Kanzlei des Beklagten zu 3) tätigen Rechtsanwältin, die sich im Laufe des Verfahrens zusätzlich für den Beklagten zu 3) bestellt hat, nicht erstattungsfähig.
Ein Fall, in dem sich mehrere Streitgenossen von vornherein und jeweils ausschließlich durch eigene Rechtsanwälte haben vertreten lassen, liegt hier nicht vor. Der Beklagte zu 3) hat sich selbst vertreten und ist davon auch nach Hinzutreten der Beklagten zu 4) nicht abgerückt. Er hat weiterhin - nunmehr für die Beklagten zu 3) und 4) gemeinsam - Ausführungen gemacht und im Termin zur mündlichen Verhandlung beide Parteien vertreten. Soweit er in eigener Sache tätig geworden ist, sind ihm daher die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte, § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO
Die Kosten für die in seiner Sozietät tätige Rechtsanwältin, die sich im Laufe des Verfahrens zusätzlich für ihn gemeldet hatte, sind nicht erstattungsfähig, § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte einer Partei vom unterlegenen Gegner nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel erforderlich war. Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Anwaltskosten hängt hier davon ab, ob es für den Beklagten zu 3) notwendig war, sich nach Hinzutreten der Beklagten zu 4) durch einen weiteren, gesondert beauftragten Rechtsanwalt vertreten zu lassen, obwohl er weiterhin sich selbst und zusätzlich die Beklagte zu 4) vertrat. Gründe für eine solche Notwendigkeit sind hier nicht ersichtlich.
Im Übrigen kann der Beklagte zu 3) nicht verlangen, in dem ihn betreffenden Kostenfestsetzungsverfahren so gestellt zu werden, als schulde er sich selbst gem. § 7 Abs. 2 RVG im Innenverhältnis auf die Beklagte zu 4) entfallende Gebühren und Auslagen. Dem Beklagten zu 3) können gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nur solche Kosten erstattet werden, die ihm tatsächlich erwachsen sind. Ebenso wenig wie eine tatsächlich nicht geleistete Tätigkeit können im Rahmen von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO Kosten fingiert werden, die dem Beklagten zu 3) nicht entstanden sind. Eine solche Fiktion kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sie zu einer nicht gerechtfertigten doppelten Inanspruchnahme des Klägers führen würde.
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