15.01.2015

Krankentagegeldversicherung: Anpassungsklausel zu Lasten des Versicherten bei sinkendem Nettoeinkommen unwirksam

Für eine mögliche Absenkung der Höhe des Krankentagegeldes und des Beitrages bei sinkendem Nettoeinkommen einseitig durch den Versicherer ist von vornherein kein Raum, wenn beim Vertragsschluss kein bestimmtes Nettoeinkommen zugrunde gelegt worden ist. Die einseitige Anpassung von Krankentagegeld und Beitrag im Falle des Absinkens des Nettoeinkommens durch den Versicherer unter Berufung auf § 4 Abs. 4 MB/KT ist unwirksam, weil die Regelungen in § 4 Abs. 4 auch i.V.m. § 2 Abs. 2 MB/KT einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhalten.

OLG Karlsruhe 23.12.2014, 9a U 15/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist selbständiger Handwerker. Im Jahr 2006 schloss er bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung ab, die ihm im Krankheitsfalle ein Tagegeld i.H.v. 100 € versprach. Der Tagessatz entsprach dem damaligen Nettoeinkommen des Klägers. Im Jahr 2012 teilte die Beklagte mit, dass das Tagegeld bei entsprechend geminderter Prämienhöhe nur noch 62 € betrage. Sie berief sich darauf, dass der Kläger mittlerweile weniger verdiene und die vereinbarten Versicherungsbedingungen eine entsprechende Anpassung zuließen.

Der Kläger wollte das nicht hinnehmen und bestand auf der Beibehaltung des höheren Tagessatzes. Die Beklagte machte geltend, die strittige Klausel diene dazu, ein erhöhtes Risiko der Inanspruchnahme für den Fall zu begrenzen, dass der Versicherte durch eine Erkrankung und den dann entstehenden Tagegeldanspruch ein höheres Einkommen erzielen könne als durch eigene Erwerbstätigkeit. Mit seiner Klage beantragte der Kläger festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, das mit der Krankentagegeldversicherung versicherte Krankentagegeld i.H.v. 100 € pro Tag, ab dem 1.9.2012 auf 62 € pro Tag herabzusetzen.

Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage statt. Die Revision zum BGH wurde u.a. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Gründe:
Die einseitige Herabsetzung des Krankentagegeldes auf 62 € pro Tag durch die Beklagte ist ohne vertragliche Grundlage erfolgt und damit unwirksam.

Die Herabsetzungsklausel (§ 4 Abs. 4 MBKT 2009) ist in ihrer konkreten Ausgestaltung unwirksam. Der Kläger behält damit seinen Anspruch auf die vereinbarten 100 € Krankentagegeld, obwohl sein Verdienst mittlerweile deutlich unter 100 € am Tag liegt. Die Klausel ermöglicht es den Versicherern die Tagegeldhöhe auch dann herabzusetzen, wenn der Versicherte bereits erkrankt ist und Tagegeldansprüche geltend macht. Damit besteht für den Versicherten die Gefahr, dass das Tagegeld von seiner Versicherung gerade dann einseitig herabgesetzt wird, wenn mit der Erkrankung auch sein Einkommen sinkt. Gegen krankheitsbedingte Einkommensverluste will/wollte sich der Versicherte aber gerade schützen.

Im Übrigen führt die Herabsetzungsmöglichkeit dazu, dass für einen selbständigen Versicherten mit schwankendem Einkommen die Entwicklung seines Versicherungsschutzes nicht absehbar ist, auch dies macht die Klausel unzulässig. Schließlich steht der Möglichkeit des Versicherers, einseitig den Umfang des Versicherungsschutzes und des Beitrages herabzusetzen, kein ausreichender Anspruch des Versicherungsnehmers gegenüber, bei steigendem Nettoeinkommen eine Erhöhung herbeizuführen.

Linkhinweis:

OLG Karlsruhe PM vom 12.1.2015
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