Kündigung eines entgeltlichen Einspeisungsvertrages mit Kabelnetzbetreiber durch ARTE stellt Kartellrechtsverstoß dar
BGH v. 18.2.2020 - KZR 6/17
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Einspeisevergütung für das Jahr 2013. Die Klägerin betreibt in Baden-Württemberg Breitbandkabelnetze. Die Beklagte zu 13 veranstaltet den deutschsprachigen Teil des Fernsehprogramms des deutsch-französischen Kulturkanals ARTE. Ihre Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die in der ARD (der Beklagten zu 1) zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten (die Beklagten zu 2 bis 10) und das ZDF (die Beklagte zu 11).
Die Beklagten zu 2 bis 13 zahlten der Klägerin auf der Grundlage eines 2008 geschlossenen Vertrags (im Folgenden: Einspeisevertrag) ein jährliches Entgelt in Höhe von insgesamt 6,5 Mio € für die im Vertrag vereinbarte digitale und analoge Einspeisung ihrer Programmsignale in die Kabelnetze der Klägerin. Der Einspeisevertrag enthält ein jährliches Kündigungsrecht.
Am 22.3.2011 besprachen die Intendanten und Programmdirektoren der Beklagten zu 1 und 11, dass die Kabelverbreitungsverträge fristgerecht gekündigt werden sollten. Die Beklagten zu 1 bis 13 erklärten mit gesonderten Schreiben vom 18., 19., 20. und 21.6. die Kündigung des Einspeisevertrags. Die Kündigung der Beklagten zu 13 wurde auch von ARTE erklärt. Die Kündigungsschreiben wurden gemeinsam in einem Umschlag von der Beklagten zu 4 verschickt und gingen der Klägerin am 25.6.2012 zu.
Die Klägerin hielt die Kündigungen für unwirksam und klagte die Einspeisevergütung für das Jahr 2013 ein. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtete sich die Revision, mit der die Klägerin ihre zuletzt gestellten Berufungsanträge gegen die Beklagte zu 13 weiterverfolgt. Der BGH hat im Sinne der Kabelnetzbetreiberin entschieden.
Die Gründe:
Das LG hat zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin für das Jahr 2013 kein Anspruch auf das vertraglich vereinbarte Einspeiseentgelt gegen die Beklagte zu 13 zusteht. Die von der Beklagten zu 13 erklärte Kündigung hat den Vertrag nicht beendet. Der Kündigung der Verträge zum 31.12.2012 durch die Beklagten lag eine nach § 1 GWB verbotene Abstimmung unter Wettbewerbern zugrunde. Die von der Beklagten zu 13 erklärte Kündigung ist daher gemäß § 134 BGB nichtig.
Nach § 1 GWB sind aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Typisches Mittel einer verbotenen Verhaltensabstimmung ist der Austausch von Informationen über wettbewerbsrelevante Parameter mit dem Ziel, die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten des Konkurrenten auszuräumen. Die Abstimmung muss ursächlich für ein entsprechendes Marktverhalten sein, doch gilt insoweit die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen.
ARTE ist wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme Unternehmen i.S.d. § 1 GWB. Die Beklagte zu 13 steht mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Vertragspartei des Einspeisevertrags sind, im Wettbewerb. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen hinsichtlich der Finanzierung ihres Programmangebots grundsätzlich sowohl untereinander als auch mit den privaten Rundfunkanbietern im Wettbewerb. Bei ARTE handelt es sich auch nicht um ein Gemeinschaftsprogramm, für dessen Veranstaltung und Verbreitung der BGH entschieden hat, dass die Rundfunkanstalten insoweit untereinander nicht im Wettbewerb stehen und sich daher insoweit abstimmen dürfen.
Die Kündigung der Beklagten zu 13 beruhte auf einem abgestimmten Verhalten iSd § 1 GWB. Sie ist deshalb unwirksam. Nach den Feststellungen des LG haben die Rundfunkanstalten, die Gesellschafter der Beklagten zu 13 sind, bei einer Besprechung am 22.3.2011 Einvernehmen darüber erzielt, dass an dem in der Präambel des Einspeisevertrags angekündigten Paradigmenwechsel festgehalten und künftig keinem Kabelnetzbetreiber mehr Entgelt für die Einspeisung von Programmsignalen gezahlt werden solle.
Da die Kündigung des Einspeisevertrags durch die Beklagte zu 13 auf einer verbotenen Verhaltensabstimmung mit den weiteren Beklagten beruht und deren weiterer Umsetzung dient, ist die Kündigung unabhängig davon gemäß § 134 BGB nichtig, ob den Beklagten als einheitlicher Vertragspartei nach dem Vertrag nur ein einheitliches Kündigungsrecht zusteht.
BGH online
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Einspeisevergütung für das Jahr 2013. Die Klägerin betreibt in Baden-Württemberg Breitbandkabelnetze. Die Beklagte zu 13 veranstaltet den deutschsprachigen Teil des Fernsehprogramms des deutsch-französischen Kulturkanals ARTE. Ihre Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die in der ARD (der Beklagten zu 1) zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten (die Beklagten zu 2 bis 10) und das ZDF (die Beklagte zu 11).
Die Beklagten zu 2 bis 13 zahlten der Klägerin auf der Grundlage eines 2008 geschlossenen Vertrags (im Folgenden: Einspeisevertrag) ein jährliches Entgelt in Höhe von insgesamt 6,5 Mio € für die im Vertrag vereinbarte digitale und analoge Einspeisung ihrer Programmsignale in die Kabelnetze der Klägerin. Der Einspeisevertrag enthält ein jährliches Kündigungsrecht.
Am 22.3.2011 besprachen die Intendanten und Programmdirektoren der Beklagten zu 1 und 11, dass die Kabelverbreitungsverträge fristgerecht gekündigt werden sollten. Die Beklagten zu 1 bis 13 erklärten mit gesonderten Schreiben vom 18., 19., 20. und 21.6. die Kündigung des Einspeisevertrags. Die Kündigung der Beklagten zu 13 wurde auch von ARTE erklärt. Die Kündigungsschreiben wurden gemeinsam in einem Umschlag von der Beklagten zu 4 verschickt und gingen der Klägerin am 25.6.2012 zu.
Die Klägerin hielt die Kündigungen für unwirksam und klagte die Einspeisevergütung für das Jahr 2013 ein. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtete sich die Revision, mit der die Klägerin ihre zuletzt gestellten Berufungsanträge gegen die Beklagte zu 13 weiterverfolgt. Der BGH hat im Sinne der Kabelnetzbetreiberin entschieden.
Die Gründe:
Das LG hat zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin für das Jahr 2013 kein Anspruch auf das vertraglich vereinbarte Einspeiseentgelt gegen die Beklagte zu 13 zusteht. Die von der Beklagten zu 13 erklärte Kündigung hat den Vertrag nicht beendet. Der Kündigung der Verträge zum 31.12.2012 durch die Beklagten lag eine nach § 1 GWB verbotene Abstimmung unter Wettbewerbern zugrunde. Die von der Beklagten zu 13 erklärte Kündigung ist daher gemäß § 134 BGB nichtig.
Nach § 1 GWB sind aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Typisches Mittel einer verbotenen Verhaltensabstimmung ist der Austausch von Informationen über wettbewerbsrelevante Parameter mit dem Ziel, die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten des Konkurrenten auszuräumen. Die Abstimmung muss ursächlich für ein entsprechendes Marktverhalten sein, doch gilt insoweit die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen.
ARTE ist wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme Unternehmen i.S.d. § 1 GWB. Die Beklagte zu 13 steht mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Vertragspartei des Einspeisevertrags sind, im Wettbewerb. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen hinsichtlich der Finanzierung ihres Programmangebots grundsätzlich sowohl untereinander als auch mit den privaten Rundfunkanbietern im Wettbewerb. Bei ARTE handelt es sich auch nicht um ein Gemeinschaftsprogramm, für dessen Veranstaltung und Verbreitung der BGH entschieden hat, dass die Rundfunkanstalten insoweit untereinander nicht im Wettbewerb stehen und sich daher insoweit abstimmen dürfen.
Die Kündigung der Beklagten zu 13 beruhte auf einem abgestimmten Verhalten iSd § 1 GWB. Sie ist deshalb unwirksam. Nach den Feststellungen des LG haben die Rundfunkanstalten, die Gesellschafter der Beklagten zu 13 sind, bei einer Besprechung am 22.3.2011 Einvernehmen darüber erzielt, dass an dem in der Präambel des Einspeisevertrags angekündigten Paradigmenwechsel festgehalten und künftig keinem Kabelnetzbetreiber mehr Entgelt für die Einspeisung von Programmsignalen gezahlt werden solle.
Da die Kündigung des Einspeisevertrags durch die Beklagte zu 13 auf einer verbotenen Verhaltensabstimmung mit den weiteren Beklagten beruht und deren weiterer Umsetzung dient, ist die Kündigung unabhängig davon gemäß § 134 BGB nichtig, ob den Beklagten als einheitlicher Vertragspartei nach dem Vertrag nur ein einheitliches Kündigungsrecht zusteht.