Lernspiele können urheberrechtlich geschützt sein
BGH 1.6.2011, I ZR 140/09Die Klägerin entwickelt und vertreibt Lernspiele, die aus mehreren Übungsheften und einem Kontrollgerät bestehen. Letzteres besteht aus einem flachen Kunststoffkasten, in dem zwölf quadratische Plättchen in zwei Reihen auf dafür vorgesehenen Feldern liegen. Die Plättchen sind auf der Vorderseite von eins bis zwölf durchnummeriert und auf der Rückseite mit Mustern versehen. Die Spielaufgabe besteht darin, die Plättchen nach der Aufgabenstellung des Übungsheftes einem bestimmten Feld zuzuordnen. Bei richtiger Lösung ergeben die Rückseiten der Plättchen ein harmonisches, im Übungsheft zur Kontrolle abgebildetes Muster.
Die Beklagte stellt ebenfalls Lernspiele her und vertreibt diese. Die Spiele der Beklagten funktionieren weitgehend nach demselben Prinzip wie die Lernspiele der Klägerin. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe dadurch das Urheberrecht an ihren Lernspielen verletzt. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.
Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann eine Urheberrechtsverletzung nicht verneint werden.
Die Lernspiele der Klägerin können als Darstellungen wissenschaftlicher Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG urheberrechtlich geschützt sein. Für derartige Darstellungen ist es begriffswesentlich, dass sie der Vermittlung von belehrenden oder unterrichtenden Informationen dienen. Die Kontrollgeräte vermitteln im Zusammenspiel mit den Übungsheften solche Informationen. Bereits der Darstellung einfachster "wissenschaftlicher" Erkenntnisse kann Urheberrechtsschutz zukommen.
Das OLG hat insoweit zu Unrecht angenommen, eine Urheberrechtsverletzung sei ausgeschlossen, weil sich die Inhalte und Aufgaben der Übungshefte der Beklagten von denen der Klägerin unterscheiden. Mit dieser Begründung kann eine Urheberrechtsverletzung nicht verneint werden. Für den Urheberrechtsschutz einer Darstellung wissenschaftlicher Art ist der dargestellte Inhalt ohne Bedeutung. Es kommt nicht darauf an, was, sondern wie etwas dargestellt wird. Nur die Form der Darstellung kann deren Urheberrechtsschutz begründen.
Das OLG wird daher im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Lernspiele der Klägerin eine so eigentümliche Formgestaltung aufweisen, dass sie als Darstellungen wissenschaftlicher Art Urheberrechtsschutz genießen. Hierfür reicht es schon aus, dass sich die Gestaltung vom alltäglichen Schaffen im betroffenen Bereich der Lernspiele abhebt, auch wenn das Maß der geistigen Leistung und individuellen Prägung gering ist. Sollten die Lernspiele der Klägerin allerdings nur ein geringes Maß an Eigentümlichkeit haben, könnten bereits verhältnismäßig geringfügige Abweichungen in der Gestaltung der Lernspiele der Beklagten zur Folge haben, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt.
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