05.11.2013

LG Hannover für Schadenersatzklagen gegen Porsche Automobil Holding SE wegen vermeintlich unrichtiger Presseerklärungen zuständig

Im Verfahren gegen die Porsche Automobil Holding SE wegen vermeintlich unrichtiger Presseerklärungen hat das OLG Braunschweig das LG Hannover für zuständig erklärt. Hintergrund der Entscheidung ist, dass sich die klagenden Investmentfonds im Rahmen ihrer Schadenersatzklagen wegen irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen zusätzlich auch auf den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und einen Verstoß gegen das Kartellverbot berufen hatten.

OLG Braunschweig 29.10.2013, 1 W 42/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen verlangen von der beklagten Porsche Automobil Holding SE Schadensersatz. Sie behaupten, die Beklagte habe im Zusammenhang mit deren Versuch, im Jahre 2008 die Volkswagen AG zu übernehmen, unrichtige Presseerklärungen abgegeben und den Kapitalmarkt absichtlich in die Irre geführt, um vorsätzlich eine Preissteigerung der VW-Stammaktien herbeizuführen, was auch gelungen sei. Den Klägerinnen seien dadurch erhebliche Schäden entstanden, weil sie als Investmentfonds in der Erwartung sinkender Kurse zuvor Leerverkäufe getätigt hätten.

Das LG Stuttgart erklärte sich per Beschluss für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das LG Braunschweig. Für Klagen wegen falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen sei nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO örtlich ausschließlich das LG am Sitz des betroffenen Emittenten zuständig. Dies sei das LG Braunschweig, in dessen Bezirk die Volkswagen AG ihren Sitz habe.

Nach der Verweisung an das LG Braunschweig beriefen sich die Klägerinnen zusätzlich auch auf einen angeblichen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und einen Verstoß gegen das Kartellverbot (§§ 19, 20, 33 GWB, Art. 101 f. AEUV). Sie beantragten deshalb die Weiterverweisung an eine Kartellkammer, entweder die des LG Frankfurt a.M., hilfsweise an die des LG Hannover. Die Beklagte trat dem entgegen. Das LG Braunschweig verwies den Rechtsstreit an die Kartellkammer des für Kartellsachen zuständigen LG Hannover. Das LG Hannover lehnte jedoch die Übernahme der Sache ab, erklärte sich selbst für unzuständig und legte die Sache dem OLG Braunschweig zur Bestimmung der Zuständigkeit vor.

Das OLG bestimmte nun das LG Hannover zum zuständigen Gericht.

Die Gründe:
Das LG Hannover ist wegen des von den Klägerinnen geltend gemachten Kartellrechtsverstoßes sachlich ausschließlich zuständig. Das Land Niedersachsen hat von seiner gesetzgeberischen Befugnis Gebrauch gemacht und beim LG Hannover landesweit alle kartellrechtlichen Streitigkeiten konzentriert.

Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des LG Stuttgart an das LG Braunschweig steht dem nicht entgegen. Diese beschränkt sich nur auf die Verneinung der eigenen örtlichen Zuständigkeit und spiegelbildlich darauf, dass das LG Braunschweig an einer Rück- oder Weiterverweisung unter dem Gesichtspunkt der örtlichen Zuständigkeit gehindert gewesen ist.

Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses geht nur soweit, wie das verweisende Gericht binden wollte und soweit es die Zuständigkeit erkennbar geprüft hat. Das LG Stuttgart hat sich indes nur mit der örtlichen Zuständigkeit und dies auch nur unter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlichen Kapitalmarktinformationen befasst.

Bei der kartellrechtlichen Zuständigkeit des LG Hannover handelt es sich um eine besondere Form der sachlichen Zuständigkeit. Der gesetzgeberische Grund kommt in der Vorschrift des § 89 GWB selbst unmittelbar zum Ausdruck ("Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung"). Das dafür maßgebliche Abgrenzungskriterium dieser Vorschrift ist keines nach der örtlichen Beziehung, sondern nach sachlich-funktioneller Beziehung zum Kartellrecht. Demgegenüber knüpft § 32 b Abs. 1 ZPO an den Ortsbezug des Sitzes an, so wie es auch das LG Stuttgart allein in seine Überlegungen einbezogen hat.

OLG Braunschweig PM vom 5.11.2013
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