Liquiditätsbilanz durch Sachverständigen zur Widerlegung der im Falle einer Zahlungseinstellung bestehenden gesetzlichen Vermutung
BGH 26.3.2015, IX ZR 134/13Der Kläger ist Verwalter in dem im Oktober 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H-GmbH (Schuldnerin). Er verlangt von der beklagten Gemeinde unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO die Erstattung von Gewerbesteuerzahlungen im Gesamtbetrag von rd. 31.500 €, welche die Schuldnerin im Zeitraum zwischen August 2002 und März 2007 jeweils durch Übergabe von Schecks an den Vollziehungsbeamten der Beklagten erbracht hat.
Das LG wies die Klage ab, weil es sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Beklagte einen etwaigen Vorsatz der Schuldnerin, mit den angefochtenen Zahlungen ihre übrigen Gläubiger zu benachteiligen, gekannt habe. Das OLG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Auf die Beschwerde der Beklagten ließ der BGH die Revision zu. Auf die Revision der Beklagten hob er das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das OLG hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht u.a., das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Erhebliche Beweisanträge muss das Gericht berücksichtigen, sofern das Prozessrecht dem nicht entgegensteht. Diesen Verpflichtungen ist das OLG insoweit nicht nachgekommen, als es das von der Beklagten angebotene Sachverständigengutachten zum Beweis der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin nicht eingeholt hat.
Soll der in § 133 Abs. 1 S. 1 InsO vorausgesetzte Benachteiligungsvorsatz des Schuldners maßgeblich auf eine im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen bestehende, dem Schuldner bekannte Zahlungsunfähigkeit gestützt werden, so muss diese positiv festgestellt werden. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der anfechtende Insolvenzverwalter. Zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit bedarf es im Insolvenzanfechtungsprozess nicht zwingend einer Liquiditätsbilanz, wenn auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies auch für die Insolvenzanfechtung gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.
Dem Anfechtungsgegner bleibt es allerdings unbenommen, der Annahme der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners mit dem Antrag auf Erstellung einer Liquiditätsbilanz durch einen Sachverständigen entgegenzutreten, sei es um die Beweiswirkung der für die Zahlungsunfähigkeit sprechenden Indizien zu erschüttern oder um die Vermutung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO zu widerlegen. Vorliegend hat die Beklagte in der Berufungserwiderung für ihre Behauptung, die Schuldnerin sei weder im Jahr 2002 noch im Jahr 2006 - auch nicht drohend - zahlungsunfähig gewesen, Beweis angetreten durch ein vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten.
Der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens standen auch nicht Gründe des Prozessrechts entgegen. Es handelte sich bei dem Beweisantrag auch nicht um ein neues, erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachtes Verteidigungsmittel, das nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zulässig gewesen wäre. Vielmehr hatte sich die Beklagte bereits in erster Instanz innerhalb einer im letzten Verhandlungstermin eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin berufen.
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