Löschung von Beiträgen strafbaren Inhalts in sozialen Netzwerken
OLG Karlsruhe v. 26.5.2023 - 10 U 24/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger wollte die Wiederherstellung von gelöschten Facebook-Beiträgen erreichen. U.a. ging es um einen Post des Inhalts: "Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?"
Klage und Berufung des Klägers blieben überwiegend erfolglos. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Wiederherstellung der gelöschten Facebook-Beiträge zu, die die Bezeichnung des Andreas K. als "Vollcovidiot" sowie private bzw. intime Fotografien von Hunter Biden enthalten.
Zwar besteht zwischen den Parteien ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen sich die Beklagte gemäß ihren Nutzungsbedingungen gegenüber dem Kläger verpflichtet hat, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf.
Zur Begründung von Beitragslöschungen kann sich die Beklagte auch nicht auf die Regelungen auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 ihrer Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 i. V. m. Teil 1 Nr. 2 ihrer Gemeinschaftsstandards gleichen Datums berufen. Wie das LG zu Recht ausgeführt hat, sind diese gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Auf die diesbezüglichen grundlegenden Entscheidungen des BGH (vgl. BGH v. 29.7.2021 - III ZR 179/20) wird zustimmend Bezug genommen.
Die Beklagte war aber kraft Gesetzes wegen des strafbaren Inhalts der betreffenden Beiträge zur Löschung berechtigt. Gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG war und ist die Beklagte unabhängig von dem Inhalt ihrer Nutzungsbedingungen gehalten, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte in ihrem sozialen Netzwerk zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird (BGH v. 29.7.2021 - III ZR 179/20). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die von dem Beklagten abgesetzten Posts, die die Bezeichnung des Andreas K. als "Vollcovidiot" bzw. private und intime Fotografien von Hunter Biden enthielten, waren strafbaren Inhalts.
Der Post "Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?" enthält eine gemäß § 185 StGB strafbewerte Beleidigung. Diese Äußerung ist als Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung des Klägers gegenüber Andreas K. zu qualifizieren, ohne dass die Äußerung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers vorgenommen wurde (vgl. § 193 StGB).
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Datenberichtigung zu.
Dem Kläger steht der geltend gemachte umfassende Anspruch gegen die Beklagte nicht zu, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, vollständig zurückgesetzt wird.
Soweit der Kläger die Beseitigung von Lösch- und Sperrvermerken aus seinem Nutzerdatensatz bei der Beklagten begehrt, kann er dies nicht mit der Begründung erreichen, die Beklagte speichere insoweit unzutreffende Daten. Denn die Beitragslöschungen und Accountsperrungen haben tatsächlich - unstreitig - stattgefunden. Ein Anspruch auf Datenberichtigung mit der Begründung, die gespeicherten Daten seien unrichtig, besteht damit weder auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB noch gemäß Art. 16 DSGVO.
Ein Anspruch auf umfassende Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke besteht auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO.
Mehr zum Thema:
Link zum Volltext der Entscheidung
Rechtsprechung:
Soziale Netzwerke: AGB-Änderung und Eingriffsmöglichkeiten bei "Hassrede"
BGH vom 29.7.2021 - III ZR 179/20
CR 2022, 179
Rechtsprechung:
Soziale Netzwerke: Löschung eines Beitrags wegen Volksverhetzung
OLG Karlsruhe vom 24.5.2022 - 14 U 270/20
MDR 2022, 1270
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Der Kläger wollte die Wiederherstellung von gelöschten Facebook-Beiträgen erreichen. U.a. ging es um einen Post des Inhalts: "Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?"
Klage und Berufung des Klägers blieben überwiegend erfolglos. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Wiederherstellung der gelöschten Facebook-Beiträge zu, die die Bezeichnung des Andreas K. als "Vollcovidiot" sowie private bzw. intime Fotografien von Hunter Biden enthalten.
Zwar besteht zwischen den Parteien ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen sich die Beklagte gemäß ihren Nutzungsbedingungen gegenüber dem Kläger verpflichtet hat, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf.
Zur Begründung von Beitragslöschungen kann sich die Beklagte auch nicht auf die Regelungen auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 ihrer Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 i. V. m. Teil 1 Nr. 2 ihrer Gemeinschaftsstandards gleichen Datums berufen. Wie das LG zu Recht ausgeführt hat, sind diese gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Auf die diesbezüglichen grundlegenden Entscheidungen des BGH (vgl. BGH v. 29.7.2021 - III ZR 179/20) wird zustimmend Bezug genommen.
Die Beklagte war aber kraft Gesetzes wegen des strafbaren Inhalts der betreffenden Beiträge zur Löschung berechtigt. Gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG war und ist die Beklagte unabhängig von dem Inhalt ihrer Nutzungsbedingungen gehalten, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte in ihrem sozialen Netzwerk zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird (BGH v. 29.7.2021 - III ZR 179/20). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die von dem Beklagten abgesetzten Posts, die die Bezeichnung des Andreas K. als "Vollcovidiot" bzw. private und intime Fotografien von Hunter Biden enthielten, waren strafbaren Inhalts.
Der Post "Andreas WER? Landet jetzt jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?" enthält eine gemäß § 185 StGB strafbewerte Beleidigung. Diese Äußerung ist als Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung des Klägers gegenüber Andreas K. zu qualifizieren, ohne dass die Äußerung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers vorgenommen wurde (vgl. § 193 StGB).
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Datenberichtigung zu.
Dem Kläger steht der geltend gemachte umfassende Anspruch gegen die Beklagte nicht zu, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, vollständig zurückgesetzt wird.
Soweit der Kläger die Beseitigung von Lösch- und Sperrvermerken aus seinem Nutzerdatensatz bei der Beklagten begehrt, kann er dies nicht mit der Begründung erreichen, die Beklagte speichere insoweit unzutreffende Daten. Denn die Beitragslöschungen und Accountsperrungen haben tatsächlich - unstreitig - stattgefunden. Ein Anspruch auf Datenberichtigung mit der Begründung, die gespeicherten Daten seien unrichtig, besteht damit weder auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB noch gemäß Art. 16 DSGVO.
Ein Anspruch auf umfassende Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke besteht auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO.
Link zum Volltext der Entscheidung
Rechtsprechung:
Soziale Netzwerke: AGB-Änderung und Eingriffsmöglichkeiten bei "Hassrede"
BGH vom 29.7.2021 - III ZR 179/20
CR 2022, 179
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