12.07.2016

Lottoblock II: Anforderungen an den Nachweis eines Kartellschadens

Bei einer einmaligen kartellrechtswidrigen Abstimmung (Lottoblock I), die auf zeitlich unbeschränkte Wettbewerbswirkungen angelegt ist, spricht eine Vermutung dafür, dass sie von den beteiligten Unternehmen dauerhaft beachtet wird und das Marktgeschehen andauernd beeinflusst, solange sich die maßgeblichen Umstände nicht wesentlich ändern. Damit steht allerdings noch nicht fest, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe durch das abgestimmte Verhalten der Lottogesellschaften ein Schaden entstanden ist.

BGH 12.7.2016, KZR 25/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine gewerbliche Spielvermittlerin. Sie verlangte von der Beklagten, der Lottogesellschaft des Landes NRW, Schadensersatz wegen eines Kartellrechtsverstoßes. Bei der Beklagten handelt es sich um die Lottogesellschaft des Landes NRW. Die Veranstaltung von Lotterien ist in Deutschland grundsätzlich den Lottogesellschaften der Bundesländer vorbehalten, die sich im Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) zusammengeschlossen haben.

Seit April 2005 versuchte die Klägerin mit verschiedenen Kooperationspartnern, eine Vermittlung für Spieleinsätze bei den staatlichen Lotterien aufzubauen. Dazu sollten Verkaufsstellen in Einzelhandelsgeschäften wie Supermärkten oder Tankstellen errichtet werden (sog. "terrestrischer Vertrieb"). Einnahmen wollte die Klägerin aus Gebühren der Spielteilnehmer und Provisionszahlungen der Lottogesellschaften erzielen.

Der Rechtsausschuss des DLTB forderte die Lottogesellschaften auf, Umsätze aus dem terrestrischen Vertrieb gewerblicher Spielvermittler zurückzuweisen. Das Bundeskartellamt verbot daraufhin dem DLTB und den Lottogesellschaften der Länder eine solche Aufforderung und die Umsetzung des Beschlusses des Rechtsausschusses; diese Verfügung wurde durch BGH-Beschluss vom 14.8.2008 rechtskräftig bestätigt (Az.: KVR 54/07 - Lottoblock I).

Die Klägerin verlangte daraufhin Ersatz des ihr entgangenen Gewinns für die Jahre 2006 bis 2008. Sie machte u.a. geltend, wegen des Kartellrechtsverstoßes der Lottogesellschaften habe sie das Vermittlungsgeschäft nicht wie geplant aufbauen und entwickeln können. Das LG Hat die kartellrechtliche Schadensersatzklage wegen wettbewerbswidriger Verweigerung von Geschäftsbeziehungen abgewiesen; das OLG hat die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. rund 11,5 Mio. € zzgl. Zinsen verurteilt. Auf die Revision der Beklagten hat der diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Aufgrund der Entscheidung "Lottoblock I" steht nach § 33 Abs. 4 GWB für den Schadensersatzprozess bindend fest, dass die Lottogesellschaften den Beschluss des Rechtsausschusses des DLTB befolgt und durch ihr in dieser Weise abgestimmtes Verhalten gegen Kartellrecht verstoßen haben. Anders als vom OLG angenommen, ergibt sich daraus jedoch nicht, wie lange dieses kartellrechtswidrige Verhalten angedauert hat.

Zwar durfte das Berufungsgericht annehmen, dass sich die Verhaltensabstimmung bis 2008 auf das Marktverhalten der Lottogesellschaften ausgewirkt hatte. Jedenfalls bei einer einmaligen kartellrechtswidrigen Abstimmung, die auf zeitlich unbeschränkte Wettbewerbswirkungen angelegt ist, spricht eine Vermutung dafür, dass sie von den beteiligten Unternehmen dauerhaft beachtet wird und das Marktgeschehen andauernd beeinflusst, solange sich die maßgeblichen Umstände nicht wesentlich ändern. Diese Vermutung ist gerade nicht mit der Zustellung der Verfügung des Bundeskartellamts entfallen. Vielmehr ist für die Widerlegung der Vermutung in einem solchen Fall erforderlich, dass sich ein an dem Kartellrechtsverstoß beteiligtes Unternehmen offen und eindeutig von der Abstimmung distanziert, was hier jedoch nach den bisherigen Feststellungen nicht geschehen ist.

Damit steht allerdings noch nicht fest, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin durch das abgestimmte Verhalten der Lottogesellschaften ein Schaden entstanden ist. Für diese Beurteilung gilt zwar die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO, wobei § 252 S. 2 BGB dem Verletzten für die Darlegung und den Nachweis eines entgangenen Gewinns eine ergänzende Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung gewährt. Das OLG hatte aber bei der unter Beachtung dieses Maßstabs vorzunehmenden Prüfung, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist, nicht alle erheblichen Umstände berücksichtigt.

So erscheint es mangels anderweitiger Feststellungen möglich, dass die Lottogesellschaften trotz bestehender ökonomischer Anreize für eine Kooperation mit der Klägerin auch ohne kartellrechtswidrige Abstimmung bei autonomer unternehmerischer Entscheidung nicht oder nur zögernd und in geringerem als von der Klägerin geplanten Umfang Vermittlungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten. Dafür könnte ein Wunsch, das bisherige Vertriebssystem für Lotterien zu schützen, und die Unsicherheit über das künftige Glücksspielrecht sprechen, da das BVerfG zum damaligen Zeitpunkt eine Neuausrichtung des Glücksspielrechts am Ziel der Vermeidung von Suchtgefahren für verfassungsrechtlich geboten erklärt hatte. Außerdem hatte das OLG einen zwischen 2005 und 2008 bei den Lottogesellschaften eingetretenen Umsatzrückgang sowie die zeitweise in mehreren neuen Bundesländern und Berlin geltenden gesetzlichen Provisionsverbote bei gewerblicher Spielvermittlung bei der Schadensberechnung nicht ausreichend berücksichtigt.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 117 vom 12.7.2016
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