16.02.2016

Luftfahrtunternehmen dürfen vollständige Zahlung des Flugpreises bei Buchung verlangen

Die Verpflichtung eines Fluggastes, das Beförderungsentgelt bei Vertragsschluss zu entrichten, widerspricht nicht wesentlichen Grundgedanken des Personen(Luft)beförderungsrechts. Die mit der Pflicht zur sofortigen Vorauszahlung einhergehenden Nachteile des Fluggastes sind nicht von solchem Gewicht, dass eine Umstellung der weltweit üblichen und einem einheitlichen Standard folgenden Abrechnungspraxis der Luftfahrtunternehmen unter Beeinträchtigung deren auch im Allgemeininteresse liegender wirtschaftlicher Tätigkeit im Linienverkehr geboten wäre.

BGH 16.2.2016, X ZR 5/15 u.a.
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Verbraucherverband. Bei den Beklagten handelt es sich um zwei inländische Luftfahrtgesellschaften (Az.: X ZR 97/14 und X ZR 98/14) sowie gegen den Betreiber einer Internetplattform, auf der der Beklagte Flugbeförderungsdienstleistungen anbietet, wobei die Flüge von einer konzernangehörigen oder von anderen Luftfahrtgesellschaften durchgeführt werden (Az.: X ZR 5/15).

Der Kläger begehrte von den Beklagten gem. § 1 UKlaG, dass diese die Verwendung entsprechender Vorauszahlungsklauseln in ihren Beförderungsbedingungen unterlassen. Die Berufungsgerichte hatten übereinstimmend die angegriffenen Vorauszahlungsklauseln einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unterworfen. Bei der Abwägung der berechtigten Interessen der Unternehmen an der Beibehaltung der bisherigen Vorauszahlungspraxis mit den beeinträchtigten Interessen der Verbraucher waren sie jedoch zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Frage gelangt, ob der Verbraucher bei Verwendung einer Vorleistungsklausel entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird.

Auf die Revision beider Parteien hat der BGH nun entschieden, dass AGB, nach denen der Flugpreis unabhängig vom Zeitpunkt der Buchung bei Vertragsschluss vollständig zur Zahlung fällig ist, keine unangemessene Benachteiligung der Fluggäste und damit der Verbraucher darstellen.

Die Gründe:
Die Verpflichtung eines Fluggastes, das Beförderungsentgelt bei Vertragsschluss zu entrichten, widerspricht nicht wesentlichen Grundgedanken des Personen(Luft)beförderungsrechts (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Auch wenn der Personenbeförderungsvertrag grundsätzlich als Werkvertrag zu qualifizieren ist, können die werkvertraglichen Regelungen das Leitbild des Personenbeförderungsvertrags allenfalls mit erheblichen Einschränkungen bestimmen. Insbesondere wird der Personenbeförderungsvertrag nicht derart von den Regelungen zur Fälligkeit der werkvertraglichen Vergütung nach §§ 641, 646 BGB und zur Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 BGB geprägt, dass Vorauszahlungsklauseln als unvereinbar mit dem gesetzlichen Gerechtigkeitsmodell anzusehen wären.

Schließlich besteht bei der Personenbeförderung kein Sicherungsrecht für den Vergütungsanspruch des Unternehmers, der einerseits ungesichert der Gefahr von Zahlungsausfällen in erheblicher Größenordnung ausgesetzt, aber andererseits kraft Gesetzes zur Beförderung verpflichtet wäre. Eine Vertragsgestaltung, bei der das Beförderungsentgelt erst bei Ankunft am Zielort zur Zahlung fällig würde, wäre beim Massengeschäft der Fluggastbeförderung im Linienverkehr weder interessengerecht noch praktikabel.

Auch nach gebotener Interessenabwägung kommt man nicht zu dem Schluss, eine Vorauszahlung auf eine Anzahlung bei Vertragsschluss (in Höhe von regelmäßig maximal 20 % des Flugpreises) und eine (höchstens 30 Tage vor Flugantritt fällige) Restzahlung zu beschränken, wie es etwa der BGH-Rechtsprechung zum Reisevertragsrecht entspräche (BGH-Urt. v. 9.12.2014, Az.: X ZR 85/12). Denn die mit der Pflicht zur sofortigen Vorauszahlung in voller Höhe einhergehenden Nachteile des Fluggastes sind nicht von solchem Gewicht, dass eine Umstellung der weltweit üblichen und einem einheitlichen - von der International Air Transport Association (IATA) empfohlenen - Standard folgenden Abrechnungspraxis der Luftfahrtunternehmen unter Beeinträchtigung deren auch im Allgemeininteresse liegender wirtschaftlicher Tätigkeit im Linienverkehr geboten wäre.

Zwar verliert der Fluggast bei einer Vorauszahlung das Recht, die Zahlung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern. Dieses Leistungsverweigerungsrecht ist jedoch vor Flugantritt regelmäßig ohne Bedeutung, weil der Fluggast keinen Einblick in die Flugvorbereitungen des Luftfahrtunternehmens hat. Außerdem besteht anders als im Reisevertragsrecht bei Luftbeförderungsverträgen im Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004) aufgrund der darin gewährten unabdingbaren Mindestrechte der Fluggäste ein unionsrechtlicher Mechanismus, der präventiv auf die Luftfahrtunternehmen einwirkt und diese zur Einhaltung der Flugplanung und Erbringung der vertraglichen Beförderungsleistung anhält.

Das vom Fluggast zu tragende Risiko der Insolvenz seines Vertragspartners ist durch die unionsrechtlichen wie nationalen Zulassungs- und Aufsichtsbestimmungen, denen Luftfahrtunternehmen im Linienverkehr unterliegen, deutlich verringert. Soweit der Kläger auf den bei vollständiger und sofortiger Vorauszahlung eintretenden Liquiditäts- und etwaigen Zinsnachteil des Fluggastes bei einer frühzeitigen Flugbuchung verwiesen hat, wird dieser wirtschaftlich regelmäßig durch einen Preisvorteil des Kunden gegenüber einer späteren Buchung ausgeglichen.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 41 vom 16.2.2016
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