Makler oder Anlagevermittler können auch in doppelter Funktion tätig werden
BGH 19.12.2014, V ZR 194/13Die Klägerin hatte im Mai 2007 die Geschäftsräume der S-GmbH aufgesucht. Deren Mitarbeiter empfahl ihr den Kauf einer Eigentumswohnung. Sie unterzeichnete einen Vermittlungsauftrag für eine Wohnung der - in dem Auftrag nicht namentlich genannten - Beklagten zu 1), deren Komplementärin die Beklagte zu 2) war, in Chemnitz zum Preis von 102.509 €. Im Auftragsschreiben war der Hinweis enthalten, dass die S-GmbH Honorare ausschließlich von der Verkäuferin erhalte. Auf der Rückseite fand sich eine handschriftliche Berechnung der Kosten des Erwerbs der Wohnung. Am selben Tag unterzeichnete die Klägerin ein notarielles Kaufangebot, das die Beklagte zu 1) in der Folgezeit annahm. Finanziert wurde der Kauf durch zwei Darlehensverträge mit gestaffelten Laufzeiten.
Die Klägerin verlangte später die Rückabwicklung des Kaufvertrags, Freistellung von Darlehensverpflichtungen sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz weitergehender Schäden sowie des Annahmeverzugs. Sie war der Ansicht, mit der Beklagten zu 1) sei neben dem Kaufvertrag ein Beratungsvertrag zustande gekommen, den diese (durch die S-GmbH) schlecht erfüllt habe, weil sie sie nicht auf die Besonderheiten der steuerlichen Förderung nach § 7i EStG und auf die sehr lange Gesamtlaufzeit der Darlehensverträge hingewiesen habe. Außerdem sei der Kaufpreis sittenwidrig überhöht gewesen.
Das LG gab der Klage statt; das KG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück.
Gründe:
Nach den bisherigen Feststellungen ließ sich ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) auf Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Pflichten aus einem Beratungsvertrag nach § 280 Abs. 1 BGB, für den die Beklagte zu 2) nach § 161 Abs. 2, § 128 HGB haften würde, nicht mit der Begründung ablehnen, es fehle an einem Beratungsvertrag.
Nach BGH-Rechtsprechung kommt zwischen Verkäufer und Käufer ein Beratungsvertrag zustande, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt. Gleiches gilt, wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, welches der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses dienen soll. Die Vorinstanz hat zwar festgestellt, dass der Klägerin eine solche Berechnung vorgelegt worden war, meinte aber, die damit verbundene Beratung sei hier namens der S-GmbH, nicht dagegen (auch) für die Beklagte zu 1) erfolgt. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen war diese Ansicht rechtsfehlerhaft.
Denn stellt sich bei der Vermittlung des Kaufvertrags die Aufgabe der Beratung des Kaufinteressenten und ist sie von dem Verkäufer einem Makler oder sonstigen Vermittler überlassen worden, kann sich dessen stillschweigende Bevollmächtigung zum Abschluss des Beratungsvertrags zwischen Verkäufer und Käufer aus den Umständen ergeben (§ 167 BGB). Ein Beratungsvertrag des Käufers mit dem Verkäufer kann kraft konkludent erteilter Vollmacht auch dann zustande kommen, wenn unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Vermittler und dem Kaufinteressenten bestehen. Es kommt stets in Betracht, dass ein Makler oder Anlagevermittler bei der Vertragsanbahnung - ohne äußeren Einschnitt in seinem Auftreten - auch für den Verkäufer, also in doppelter Funktion tätig wird; daher kann eine Haftung aus beiden Rechtsverhältnissen entstehen.
Weder eine Außenvollmacht noch ein Handeln des Vermittlers für den Verkäufer setzen die Verwendung von Unterlagen voraus, die auf den Verkäufer hinweisen. Die Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen der Beklagten zu 1) und der S-GmbH sagte nichts darüber aus, wie das Verhalten der beiden gegenüber der Klägerin aus deren objektivierter Sicht als Kaufinteressentin zu bewerten war. Dafür war es auch unerheblich, ob die Beklagte zu 1) gegenüber anderen Kaufinteressenten andere Vermittler einsetzte oder selbst tätig wurde. Entscheidend war vielmehr, wie die Klägerin das Verhalten der Beklagten zu 1) und der S-GmbH bei objektiver Betrachtung verstehen durfte.
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