Markenbeschwerde bei Google: Gezielte Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 10 UWG durch Verweigerung der Zustimmung zur Adwords-Werbung eines Mitbewerbers
BGH 12.3.2015, I ZR 188/13Die Klägerin ist auf dem Gebiet des An- und Verkaufs von Schmuck und Juwelierwaren tätig. Sie handelt mit gebrauchten Uhren der Marke "Rolex". Die Beklagte ist Inhaberin der am 21.5.2008 eingetragenen Gemeinschaftsmarke "Rolex". Sie stellt hochwertige Uhren her, die sie selbst oder über konzessionierte Fachhändler in Deutschland vertreibt. Die Beklagte und ihre Fachhändler bieten ausschließlich neue und keine gebrauchten Uhren zum Kauf an.
Die Klägerin beabsichtigt, im Internet über "Google Adwords" folgende Werbeanzeige zu veröffentlichen:
Ankauf: Rolex Armbanduhren
Ankauf: einfach, schnell, kompetent
Ankauf: Rolex-Uhr dringend gesucht
www.
Google lehnte die Schaltung der Anzeige im Oktober 2010 wegen einer von der Beklagten eingelegten sogenannten "allgemeinen Markenbeschwerde" ab. Durch eine solche Markenbeschwerde ermöglicht Google Markeninhabern, sich gegen die Nutzung ihrer Kennzeichen im Text von Adwords-Anzeigen zu wenden. Die Klägerin forderte daraufhin die Beklagte ohne Erfolg auf, der beabsichtigten Verwendung der Bezeichnung "Rolex" in der geplanten Werbeanzeige zuzustimmen.
LG und OLG gaben der Klage statt und verurteilten die Beklagte, gegenüber Google die Zustimmung zur Verwendung des Begriffs "Rolex" durch die Klägerin in der beabsichtigten Adwords-Werbeanzeige zu erteilen, ohne dass die Klägerin hierbei den Begriff "Rolex" als sog. Keyword für die Schaltung der vorstehenden Werbeanzeige verwenden wird. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der von der Klägerin beabsichtigten Adwords-Werbung wie beantragt zuzustimmen. Dieser Anspruch steht der Klägerin aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 10 UWG als Beseitigungsanspruch unter dem Aspekt der unlauteren Mitbewerberbehinderung zu.
Die Beklagte behindert die Klägerin gezielt i.S.v. § 4 Nr. 10 UWG. Allerdings kann eine solche Behinderung nicht schon darin gesehen werden, dass die Beklagte eine allgemeine Markenbeschwerde gegen die Verwendung der Bezeichnung "Rolex" im Text bei Google geschalteter Werbeanzeigen eingelegt hat. Soweit Mitbewerber infolge der allgemeinen Markenbeschwerde daran gehindert werden, bestimmte Adwords-Anzeigen zu veröffentlichen, können sie sich an die Beschwerdeführer wenden und um Zustimmung zu ihrer Werbung bitten. Vorliegend ist bei der gebotenen Gesamtwürdigung entscheidend, dass der Beklagten eine effektive Durchsetzung ihrer Markenrechte im Internet wegen der Vielzahl und Vielfältigkeit möglicher Verletzungshandlungen ohne die Möglichkeit einer allgemeinen Markenbeschwerde bei Google kaum möglich sein wird.
Die Beklagte behindert die Klägerin jedoch gezielt i.S.v. § 4 Nr. 10 UWG, weil sie die Zustimmung zu der Adwords-Werbung der Klägerin nicht erteilt, obwohl die konkret beabsichtigte Werbung ihre Markenrechte nicht verletzt. Die von der Klägerin beabsichtigte Adwords-Werbung ist markenrechtlich zulässig. Der Beklagten steht gegen diese Werbung kein Unterlassungsanspruch nach Art. 9 Abs. 1 GMV aus ihrer Gemeinschaftsmarke "ROLEX" zu. Allerdings kann die Beklagte Identitätsschutz gem. Art. 9 Abs. 1 S. 2 Buchst. a GMV gegenüber der Klägerin beanspruchen. Die Klägerin möchte die Bezeichnung "Rolex" für Uhren und damit für Produkte benutzen, für die die Gemeinschaftsmarke "ROLEX" der Beklagten geschützt ist. Trotz der unterschiedlichen Groß- und Kleinschreibung sind die Marke "ROLEX" und die Bezeichnung "Rolex" i.S.v. Art. 9 Abs. 1 S. 2 Buchst. a GMV identisch. Der EuGH hat etwa die Marke "INTERFLORA" und das Zeichen "Interflora" als im Wesentlichen identisch angesehen und deshalb einen Fall der Doppelidentität angenommen. Der Streitfall ist nicht anders zu beurteilen.
Allerdings kann der Markeninhaber einer Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens auch im Fall der Doppelidentität nur widersprechen, wenn dadurch eine der Funktionen der Marke beeinträchtigt werden kann. Die von der Klägerin beabsichtigte Zeichennutzung beeinträchtigt aber die Hauptfunktion der Marke, die Gewährleistung der Waren- oder Dienstleistungsherkunft. Das OLG hat jedoch zu Recht angenommen, dass die Beklagte die beabsichtigte Adwords-Werbung der Klägerin nicht verbieten kann, weil einem Unterlassungsanspruch der Beklagten die Schutzschranke der Erschöpfung entgegensteht. Berechtigte Gründe i.S.v. Art. 13 Abs. 2 GMV, aufgrund derer die Beklagte sich dem Vertrieb von der Klägerin angekaufter erschöpfter Originalware widersetzen dürfte, sind nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Verbraucher ein schützenswertes Interesse haben, sich im Internet konkret über die Ankaufsmöglichkeiten von Uhren einer bestimmten Marke zu orientieren. Dazu leisten Adwords-Anzeigen einen wichtigen Beitrag.
Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zustimmung zu der beabsichtigten Adwords-Werbung ergibt sich als Beseitigungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 10 UWG. Die Zustimmungspflicht der Beklagten folgt danach nicht aus dem Markenrecht, sondern aus § 4 Nr. 10 UWG. Die geeignete und erforderliche Maßnahme zur Beseitigung der gezielten Behinderung ist die Erteilung der begehrten Zustimmung. Der Beseitigungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG kann alle geeigneten Maßnahmen umfassen, die zur Beseitigung der fortwirkenden Störung geeignet und erforderlich sind. Dazu kann auch die Aufhebung eines rechtswidrigen Verbots gehören.
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