08.10.2013

Markenrecht: Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist auf den Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen (Rechtsprechungsänderung)

Für die im Eintragungs- und im Nichtigkeitsverfahren vorzunehmende Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, ist auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen. Der BGH hält nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach der Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens als Marke maßgeblich war.

BGH 18.4.2013, I ZB 71/12
Der Sachverhalt:
Die Anmelderin beantragte im September 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung der Wortfolge "Aus Akten werden Fakten" als Marke für folgende Waren und Dienstleistungen:
Computersoftware (gespeichert), insbes. für das Vertragsmanagement; Unternehmensberatung (Beratung bei Einführung, Konfiguration, Betrieb); EDV-Beratung (Beratung bei technischen Problemen rund um Einführung und Betrieb); Programmierung von Software für das Vertragsmanagement.

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts wies die Anmeldung im August 2009 wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurück. Das BPatG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin hob der BGH den Beschluss des BPatG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die Annahme des BPatG, bei der Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen sei, sei auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens als Marke abzustellen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH war allerdings sowohl im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 S. 1 MarkenG) als auch im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) bei der Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen ist oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens als Marke abzustellen. Der Anmelder musste danach sowohl im Eintragungsverfahren als auch im Nichtigkeitsverfahren nach der Anmeldung des Zeichens und vor der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens entstandene Eintragungshindernisse - hier: den Verlust der Unterscheidungskraft des Zeichens - gegen sich gelten lassen.

Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH zur Gemeinschaftsmarkenverordnung ist dagegen für die Prüfung eines auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV a.F. (jetzt Art. 52 Abs. 1 Buchst. a GMV) gestützten Antrags auf Nichtigerklärung allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich. Nach dieser Vorschrift wird die Gemeinschaftsmarke auf Antrag beim Amt für nichtig erklärt, wenn sie entgegen den Vorschriften des Art. 7 GMV eingetragen worden ist. Gem. Art. 7 Buchst. b GMV sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Nach Ansicht des EuGH lässt sich nur mit dieser Auslegung vermeiden, dass ein Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke umso wahrscheinlicher wird, je länger das Eintragungsverfahren dauert.

Daraus folgt, dass auch für die Prüfung, ob die Anmeldung einer Marke gem. Art. 38 Abs. 1 GMV a.F. (Art. 37 Abs. 1 GMV n.F.) zurückzuweisen ist, weil sie nach Art. 7 GMV und insbes. wegen Fehlens der Unterscheidungskraft nach Art. 7 Buchst. b GMV von der Eintragung ausgeschlossen ist, allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich ist. Der Anmelder muss danach weder im Eintragungsverfahren noch im Nichtigkeitsverfahren eine nach dem Zeitpunkt der Anmeldung eingetretene nachteilige Veränderung der Marke, wie den Verlust ihrer Unterscheidungskraft oder ihre Umwandlung in eine gebräuchliche Bezeichnung, gegen sich gelten lassen.

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des EuGH hält der Senat nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Für die im Eintragungsverfahren und im Nichtigkeitsverfahren vorzunehmende Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, ist auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen.

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