16.11.2020

Mehr als 240 Abmahnungen im Jahr deuten auf rechtsmissbräuchliches Verhalten hin

Der Ausspruch von über 240 Abmahnungen in einem Jahr, die sich auf Verstöße ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zum Abmahnenden beziehen, spricht für ein missbräuchliches Vorgehen. Dem Abmahnenden stehen deshalb keine Ansprüche auf Erstattung der für die Abmahnungen entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.

OLG Frankfurt a.M. v. 12.11.2020 - 6 U 210/19
Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH ist in Hamburg ansässig und wurde im Jahr 2017 gegründet. Der Beklagte betreibt ein Reisebüro und bietet seine Reisebürodienstleistungen über eine Webseite an. Die Webseite enthielt keinen Hinweis auf und keinen klickbaren Link zur sog. OS-Plattform. Hierbei handelt es sich um eine europäische Streitschlichtungs-Plattform für Streitschlichtungen im Online-Handel. Eine Verlinkung zu dieser Plattform ist für alle Online-Händler Pflicht. Die Klägerin mahnte den Beklagten deshalb erfolglos ab. Mit ihrer Klage macht sie Ansprüche auf Unterlassen des gerügten wettbewerbswidrigen Verhaltens sowie auf Ersatz entstandener Rechtsanwaltskosten geltend.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Die Klage ist bereits unzulässig. Die Rechtsverfolgung ist rechtsmissbräuchlich.

Es ist unzulässig, Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassen wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung geltend zu machen, wenn dies vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Anhaltspunkt hierfür könne etwa sein, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht. Ein weiteres Indiz liegt vor, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse hat.

Vorliegend spricht bereits die hohe Zahl von über 240 Abmahnungen innerhalb eines Jahres, die sich in fast allen Fällen auf die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform oder auf die Verletzung anderer Pflichten von Diensteanbietern bezogen, für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Die Klägerin wird durch diese Verstöße in ihrer wirtschaftlichen Betätigung nicht unmittelbar berührt. Die Verstöße betreffen vielmehr vorrangig die Rechtsbeziehungen der abgemahnten Reiseunternehmen zu ihren Kunden, ohne dass der Marktzugang für die Klägerin dadurch erschwert wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin - wenn überhaupt - nur vorübergehend und in sehr speziellen Segmenten des Reisevermittlermarktes tätig ist. Ihren eigenen Angaben nach befinden sich die meisten ihrer angeblichen Tätigkeiten im Planungsstadium und dies seit mehreren Jahren. Das Verhalten der Klägerin lässt daher nur den Schluss zu, dass es ihr in erster Linie darum geht, sich im Zusammenwirken mit ihrem Prozessbevollmächtigten durch die Abmahntätigkeit eine Einnahmequelle zu erschließen.
OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 79 vom 13.11.2020
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