05.12.2016

Mietwagenvermittlung mit Übernahme der Selbstbeteiligung stellt keine Versicherungsvermittlung dar

In Fällen, in denen sich der Vermittler eines Mietwagens zur Übernahme der Selbstbeteiligung des Mieters im Schadenfall verpflichtet, liegt kein Versicherungsvertrag i.S.v. § 215 Abs. 1 S. 1 VVG vor. Die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichtes ergibt sich somit nicht aus § 215 Abs. 1 VVG, weil die Parteien nicht über Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag streiten.

BGH 23.11.2016, IV ZR 50/16
Der Sachverhalt:
Die in München ansässige Beklagte vermittelt über das Internet Mietwagen von Drittunternehmen. Der Kläger war im Februar 2013 über ein Internetvergleichsportal auf die Internetseite der Beklagten gelangt, nachdem er das Suchmerkmal "ohne Selbstbeteiligung" angegeben hatte. Dort buchte er über die Beklagte für eine Reise einen Mietwagen der Firma H. zum Preis von rund 303 €. Nach Abschluss des Buchungsvorgangs erhielt der Kläger von der Beklagten eine Buchungsbestätigung. Dort hieß es auf der ersten Seite unter

"In Ihrem Mietpreis enthalten:

... Inklusive Haftungsbeschränkung und Diebstahlschutz für das Mietfahrzeug mit einer Selbstbeteiligung von ca. 2.500 €. Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadensfall. ...

In Ihrem Mietpreis nicht enthalten:

... Eine optionale Versicherung zur weiteren Reduzierung der Selbstbeteiligung kann vor Ort beim Vermieter gegen eine zusätzliche Gebühr abgeschlossen werden. ..."

In der Buchungsbestätigung hieß es unter "Vermittlungs-/Vermiet-konditionen" u.a.:

"... nimmt die Buchung Ihres Mietwagen beim Autovermieter vor, so wie auf dem Voucher angegeben und bucht die Zahlung im Namen des Autovermieters ab. Der Voucher ist kein Mietvertrag und ... vermietet keine Fahrzeuge. ...

... stellt keine Versicherung. Die Versicherungsdeckung stellt der Autovermieter wie im Mietvertrag angegeben ..."

sowie (in kleinerer Schriftgröße)

"Wenn Sie ein ... Produkt gebucht haben, das die Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadensfall und bei Diebstahl des Mietfahrzeugs beinhaltet, wird Ihnen ... unter bestimmten Voraussetzungen den Betrag er-statten, den Sie an den Vermieter bezahlt haben. Diese mögliche Erstattung ist KEINE Versicherung sondern ein Service von ... , über den die Gesellschaft im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens entscheidet. ...

Bei Unfällen, bei Diebstahl und bei neu entdeckten Schäden am Mietfahrzeug muss die örtliche Polizei umgehend, jedoch spätestens innerhalb von 24 Stunden nach Schadensfeststellung, benachrichtigt und ein Polizeibericht erstellt werden. ...

Sollte die o.g. Vorgehensweise nicht befolgt werden, kann dies zu einer Ablehnung der Erstattung der Selbstbeteiligung führen. ..."

Der Kläger zahlte den Mietpreis an die Beklagte und erhielt beim Autovermieter gegen Zahlung einer Kaution i.H.d. Selbstbeteiligung von 2.500 € einen Mietwagen. Er teilte dem Mietwagenunternehmen und der Beklagten in der Folge mit, einen Verkehrsunfall mit dem Mietwagen und einem Schaden am Fahrzeug von mehr als 3.000 € erlitten zu haben. Eine polizeiliche Aufnahme des Unfalles erfolgte nicht. Der Autovermieter behielt daraufhin die Kaution i.H.v. 2.500 € ein. Daraufhin begehrte der Kläger von der Beklagten die Erstattung der Selbstbeteiligung. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Hauptstreitpunkt war die örtliche Zuständigkeit des klageabweisenden AG.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich die örtliche Zuständigkeit des angerufenen AG nicht aus § 215 Abs. 1 S. 1 VVG ergab. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass es sich um eine Klage aus einem Versicherungsvertrag oder einer Versicherungsvermittlung handelt. Und dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Der Begriff des Versicherungsvertrages ist im Gesetz nicht definiert. Die zentrale vertragliche Verpflichtung der Beklagten bestand im vorliegenden Fall in der Vermittlung von Mietwagen. Diese war, wie sich auch aus der für den Kläger erstellten Buchungsbestätigung ergab, Hauptleistungsverpflichtung der Beklagten. Demgegenüber stellte die Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadenfall lediglich eine unselbständige Zusatzleistung zu dieser Vermittlung des Mietwagens dar.

Die Erstattung der Selbstbeteiligung bildete auch nicht den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Geschäftes unter bloßem Vorschieben der Hauptleistung der Mietwagenvermittlung. Zwar lag der vom Kläger zu zahlende Gesamtpreis für die Anmietung des Fahrzeugs bei lediglich 303 €, während eine Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadenfall durch die Beklagte bis zu 2.500 € erfolgen konnte. Dies änderte aber nichts an der wirtschaftlichen Nachrangigkeit der Erstattung der Selbstbeteiligung, da diese nur für die Fälle eingreifen sollte, in denen es überhaupt zu einem Schadenfall gekommen wäre, auf dessen Grundlage der Mieter des Fahrzeugs gegenüber dem Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet wäre. Hierzu kommt es in der Regel auch nur dann, wenn der Mieter keine optionale Versicherung zur weiteren Reduzierung der Selbstbeteiligung beim jeweiligen Autovermieter abschließt.

Die Erstattung der Selbstbeteiligung stellte gegenüber der Vermittlung des Mietwagens auch keine hiermit nicht im Zusammenhang stehende Leistung in Form eines Aliuds dar. Vielmehr ergänzte sie die vertragliche Hauptleistungspflicht der Beklagten zur Vermittlung des Mietwagenvertrages, indem sie dem Mieter die Möglichkeit eröffnete, eine mögliche Schadensersatzpflicht gegenüber dem Vermieter, mit dem die Beklagte den Vertrag vermittelt hatte, zu vermeiden oder zu reduzieren. Die Erstattung der Selbstbeteiligung diente damit gerade der Erleichterung der von der Beklagten betriebenen Vermittlung eines Mietwagenvertrages.

Linkhinweise:

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