17.11.2017

Mindestzeitmoment für die Verwirkung des Verbraucherwiderrufsrechts?

Von den gesetzlichen Verjährungshöchstfristen kann nicht auf ein "Mindestzeitmoment" für die Verwirkung des Verbraucherwiderrufsrechts geschlossen werden.

BGH 10.10.2017, XI ZR 393/16
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten noch um die Erstattung eines geleisteten Aufhebungsentgelts nach Widerruf der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin.

Die Parteien schlossen Ende August 2003 einen grundpfandrechtlich besicherten Darlehensvertrag über einen Betrag von 190.000 € zu einem auf zehn Jahre festen Nominalzinssatz von 3,72 % p.a. Die Beklagte belehrte die Klägerin über ihr Widerrufsrecht mittels des Formulars, das Gegenstand des Senatsurteils vom 11.10.2016 war. Im Jahr 2009 entrichtete die Klägerin für den Austausch der Sicherheit ein "Bearbeitungsentgelt" i.H.v. 500 €. Im November 2010 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag. Die Klägerin löste das Darlehen zum 1.12.2010 gegen eine "Vorfälligkeitsentschädigung" i.H.v. rd. 7.900 € ab. Unter dem 2.1.2015 widerrief der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 19.1.2015 zur Zahlung auf.

Das LG gab der auf Erstattung der "Vorfälligkeitsentschädigung" und des "Bearbeitungsentgelts" i.H.v. insgesamt rd. 8.400 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gerichteten Klage teilweise - und zwar hinsichtlich der Zinsforderung ab dem 20.1.2015 - statt. Soweit die Klägerin darüber hinaus Zinsen schon ab dem 2.1.2015 und Ersatz vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten beansprucht hat, wies es die Klage ab. Das OLG wies die Klage auch hinsichtlich der begehrten Erstattung des "Bearbeitungsentgelts" nebst Zinsen ab. Im Übrigen wies es die Berufung der Beklagten zurück. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG insoweit auf, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung zutreffenden Darlegungen des OLG halten, soweit es die Verwirkung des Widerrufsrechts verneint hat, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Soweit das OLG eine Verwirkung mit im Wesentlichen wortgleichen Erwägungen wie in seinem Urteil vom 13.10.2015 (6 U 174/14) ausgeschlossen hat, kann seine Einschätzung aus den im Senatsurteil vom 11.10.2016 (XI ZR 482/15) genannten Gründen keinen Bestand haben. Insbesondere hat es dem Umstand, dass die Parteien die Darlehensverträge einverständlich beendet haben, unzutreffend kein Gewicht beigemessen. Den Angriffen der Revision nicht stand hält außerdem die Ergänzung des OLG, der Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist gerechnet von der "Ablösung des Darlehens" biete "keinen hinreichenden Anhaltspunkt" für den Zeitraum, der verstreichen müsse, damit "allein dem Zeitablauf entscheidende Bedeutung" zukomme, da der Darlehensgeber bis zum Ablauf der Verjährungshöchstfristen mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse.

Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass Zeit- und Umstandsmoment nicht voneinander unabhängig betrachtet werden können, sondern in einer Wechselwirkung stehen. Je länger der Inhaber des Rechts untätig bleibt, desto mehr wird der Gegner in seinem Vertrauen schutzwürdig, das Recht werde nicht mehr ausgeübt werden. Dafür lassen sich aber keine festen Fristen angeben. Da das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht anders als die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche nicht verjährt, kann aus den gesetzlichen Verjährungshöchstfristen nicht auf ein "Mindestzeitmoment" zurückgeschlossen werden. Davon abgesehen läuft die maßgebliche Frist für das Zeitmoment mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags an, nicht, was die Ausführungen des OLG nahe legen, mit der "Ablösung des Darlehens".

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