Mitgliedsstaaten dürfen Exklusiv-Übertragung der Fußballspiele der EM- und WM-Endrunden im Pay-TV untersagen
EuGH 18.7.2013, C-201/11 P u.a.Die Richtlinie über die Ausübung der Fernsehtätigkeit gestattet jedem Mitgliedstaat, die Exklusivübertragung von Ereignissen, denen er eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimisst, zu verbieten, wenn eine solche Übertragung einem bedeutenden Teil der Öffentlichkeit die Möglichkeit nähme, diese Ereignisse in einer frei zugänglichen Fernsehsendung zu verfolgen. Die Endrunden der Fußballweltmeisterschaft ("WM") und der Fußballeuropameisterschaft ("EM") werden vom Fußballweltverband FIFA bzw. der Europäischen Fußball-Union (UEFA) ausgerichtet. Der Verkauf der Fernsehübertragungsrechte an diesen Wettbewerben ist für beide Verbände eine wichtige Einnahmequelle.
Belgien und das Vereinigte Königreich erstellten Listen der Ereignisse, denen sie erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimaßen. Diese Listen umfassten insbes. im Fall Belgiens alle Spiele der WM-Endrunde und im Fall des Vereinigten Königreichs alle Spiele der WM-Endrunde und der Endrunde der EM. Die Listen wurden der Kommission übermittelt, die entschied, dass sie mit dem Unionsrecht vereinbar seien. Hiergegen wenden sich FIFA und UEFA; sie sind der Ansicht, dass nicht alle diese Spiele Ereignisse von erheblicher Bedeutung für die jeweilige Gesellschaft dieser Staaten sein könnten.
Das EuG wies die Klagen ab. Die Rechtsmittel der Verbände hatten vor dem EuGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Es werden zwar der freie Dienstleistungsverkehr, die Niederlassungsfreiheit, der freie Wettbewerb und das Eigentumsrecht beeinträchtigt, wenn ein Mitgliedstaat bestimmte Ereignisse als Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung bezeichnet und ihre Exklusivübertragung verboten wird. Solche Beeinträchtigungen sind jedoch durch das Ziel gerechtfertigt, das Recht auf Informationen zu schützen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung über derartige Ereignisse zu verschaffen.
Dabei ist es allein Sache der Mitgliedstaaten, die fraglichen Ereignisse zu bezeichnen. Die Rolle der Kommission in diesem Bereich beschränkt sich auf die Überprüfung, ob die Mitgliedstaaten bei der Wahrnehmung ihres Beurteilungsspielraums das Unionsrecht beachtet haben. So hat die Kommission, wenn ein Mitgliedstaat ein Ereignis regelkonform als Ereignis von erheblicher Bedeutung bezeichnet hat, eine eingeschränkte Kontrolle über diese Bezeichnung auszuüben und namentlich nur deren Auswirkungen auf die unionsrechtlich anerkannten Freiheiten und Rechte zu prüfen, die über die Auswirkungen hinausgehen, die an sich mit dieser Einstufung verbunden sind.
Nicht alle Spiele der Endrunden der WM und EM haben die gleiche Bedeutung für die Öffentlichkeit, da die besondere Aufmerksamkeit den entscheidenden Spielen der besten Mannschaften - wie dem Endspiel oder den Halbfinals - und den Spielen mit Beteiligung der eigenen Nationalmannschaft gilt. Daher sind diese Turniere als Ereignisse anzusehen, die grundsätzlich in verschiedene Spiele oder Phasen aufgeteilt werden können, von denen nicht alle zwangsläufig als Ereignis von erheblicher Bedeutung eingestuft werden können. Insoweit müssen die Mitgliedstaaten - anders als das EuG meint - der Kommission die Gründe mitteilen, aus denen sie die Endrunden von WM und EM in ihrer Gesamtheit für ein einheitliches Ereignis von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung halten.
Diese Auslegung des EuG hat jedoch auf die vorliegenden Sachen keine Auswirkungen. Das EuG stellte nämlich auf der Grundlage der von der FIFA und der UEFA gelieferten Anhaltspunkte und im Hinblick auf die konkrete Wahrnehmung der Öffentlichkeit im Vereinigten Königreich und in Belgien fest, dass tatsächlich alle Spiele der Endrunden von WM und EM bei dem Publikum ein Interesse hervorrufen, das groß genug ist, um zu einem Ereignis von erheblicher Bedeutung gehören zu können. Insoweit ergab sich aus den Akten zum einen, dass diese Turniere in ihrer Gesamtheit bei der breiten Öffentlichkeit und nicht nur bei denjenigen, die ohnehin Fußballspiele im Fernsehen verfolgten, immer sehr populär waren. Zum anderen waren sie in den betreffenden Mitgliedstaaten bis dahin im frei zugänglichen Fernsehen übertragen worden.
Die Kommission kann unter Berücksichtigung ihrer begrenzten Befugnis zur Kontrolle der Bezeichnung eines Ereignisses als von erheblicher Bedeutung durch einen Mitgliedstaat und der eingehenden Kenntnis der Rundfunkanstalten von den Gründen für eine solche Bezeichnung ihre Entscheidung über die von einem Mitgliedstaat errichtete Liste der Ereignisse von erheblicher Bedeutung knapp begründen. Zudem ist es, wenn die Auswirkungen einer solchen Bezeichnung auf den freien Dienstleistungsverkehr, den freien Wettbewerb und das Eigentumsrecht nicht über die Auswirkungen hinausgehen, die untrennbar mit der Einstufung des betreffenden Ereignisses als Ereignis von erheblicher Bedeutung verbunden sind, nicht erforderlich, die Vereinbarkeit dieser Bezeichnung mit dem Unionsrecht spezifisch zu begründen. In den vorliegenden Fällen ist aber nicht dargetan worden, dass die Auswirkungen der Bezeichnung der gesamten Endrunde der WM oder EM als Ereignis von erheblicher Bedeutung auf die unionsrechtlich anerkannten Freiheiten und Rechte einen solchen übermäßigen Charakter hätten.
Linkhinweis:
- Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung C-201/11 P klicken Sie bitte hier.
- Für den Volltext der Entscheidung C‑204/11 P (in englischer Sprache) klicken Sie bitter hier.
- Für den Volltext der Entscheidung C‑205/11 P (in englischer Sprache) klicken Sie bitter hier.