Mobilfunk: Zur Rechtswidrigkeit einer nationalen Vergleichsmarktbetrachtung bei der Genehmigung von Entgelten für die Zustellung von Anrufen
BVerwG 26.2.2015, 6 C 33.13Die klagende Vodafone GmbH betreibt ein Mobilfunknetz. Für die Zustellung von Anrufen (Terminierung) aus dem Netz eines anderen Betreibers in ihr Netz kann sie von dem Betreiber des anderen Netzes ein Entgelt verlangen, das die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht übersteigen darf und mit Blick hierauf der Vorabgenehmigung der Bundesnetzagentur unterliegt. Die Genehmigung wird grundsätzlich auf der Grundlage von Kostenunterlagen erteilt, welche der Netzbetreiber vorzulegen hat.
Reichen die vorgelegten Kostenunterlagen für eine Prüfung des beantragten Entgelts nicht aus, kann die Bundesnetzagentur als Vergleich die Preise solcher Unternehmen heranziehen, die entsprechende Leistungen auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten anbieten, oder die Kosten der Leistungsbereitstellung auf der Grundlage eines Kostenmodells ermitteln. Weil die Bundesnetzagentur die vorgelegten Kostenunterlagen der Klägerin nicht für ausreichend erachtete, erteilte sie ihr eine Entgeltgenehmigung aufgrund einer Vergleichsmarktbetrachtung.
Als Vergleich zog sie hierfür nur das Entgelt heran, das sie am selben Tag einem anderen Netzbetreiber, der O2, auf der Grundlage von diesem eingereichter Kostenunterlagen, allerdings in geringerer Höhe als beantragt, genehmigt hatte. Von diesem Entgelt nahm sie zudem einen Abschlag vor, weil die Klägerin als D-Netz-Betreiberin gegenüber der O2 als E-Netz-Betreiberin aufgrund des früheren Markteintritts mit unterschiedlicher Frequenzausstattung Kostenvorteile habe. Die Klägerin erhob gegen die ihr erteilte Entgeltgenehmigung Klage auf Genehmigung eines höheren Entgelts: Das als Vergleich herangezogene Entgelt der O2 sei rechtswidrig zu niedrig bemessen. Es seien Kostenfaktoren, wie die Anschaffungskosten für UMTS-Lizenzen, nicht in der erforderlichen Höhe berücksichtigt worden. Zudem sei der vorgenommene Abschlag nicht berechtigt.
Das VG wies die Klage ab. Da BVerwG beurteilte die erteilte Entgeltgenehmigung als rechtswidrig, setzte das Verfahren aus und legte die Sache dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer maßgeblichen Vorschrift des TKG vor.
Die Gründe:
Die erteilte Entgeltgenehmigung ist rechtswidrig. Die Klägerin kann zwar nicht verlangen, dass nachgeprüft wird, ob die Bundesnetzagentur das als Vergleich herangezogene Entgelt rechtmäßig genehmigt hat, dieses insbesondere die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zutreffend abbildet. Das TKG stellt bei der Vergleichsmarktbetrachtung auf die Preise der Vergleichsunternehmen, nicht auf Kosten ab. Gleichwohl war die Klage nicht abzuweisen. Denn die Vergleichsmarktbetrachtung beruht hier auf einer zu schmalen Basis und war deshalb kein geeignetes Mittel, das für die Klägerin zutreffende Entgelt zu ermitteln.
Allerdings dürfen für eine Vergleichsmarktbetrachtung unter Umständen auch die Preise auf nur einem, zudem regulierten Markt herangezogen werden. Hier war jedoch von vornherein absehbar, dass das Vergleichsentgelt der O2 von dieser als zu niedrig und von deren Vertragspartnern als zu hoch angefochten werden würde, was in der Folge auch geschehen ist. Deshalb konnten sich die Preise auf dem einzig herangezogenen Vergleichsmarkt aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung noch ändern, was eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung verursachen konnte. Darüber hinaus ist zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur nicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei begründet hat, worin die strukturell begründeten Unterschiede bei der Kostenbelastung der D-Netz-Betreiber und der E-Netz-Betreiber bestehen, die als Besonderheiten der Vergleichsmärkte einen Abschlag rechtfertigen könnten.
Danach steht der Klägerin an sich ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Genehmigungsantrags zu. Einer entsprechenden Verpflichtung der Bundesnetzagentur durch des Gericht steht jedoch eine Vorschrift des TKG entgegen, nach welcher ein solcher Verpflichtungsausspruch nur ergehen darf, wenn das VG in einem vorangegangenen Verfahren der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zahlung des beantragten höheren Entgelts angeordnet hat, was hier nicht geschehen ist. Das BVerwG hat bereits in einem früheren Verfahren diese Vorschrift als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes beurteilt und die Sache dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift vorgelegt (BVerwG 26.2.2014, 6 C 3.13). Demgemäß war auch vorliegend das Verfahren auszusetzen und die Sache dem BVerfG vorzulegen.
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