Multimodaltransport: Wenn die Fracht nicht ankommt
BGH 17.9.2015, I ZR 212/13Die Klägerin beauftragte den Beklagten im Mai 2012 zu festen Kosten mit dem Transport von 35 gebrauchten Pkws von München nach Libyen. Der Beklagte beauftragte seinerseits die dem Rechtsstreit auf seiner Seite als Streithelferin beigetretene M. S.A. mit dem Transport. Die Ladung wurde vom Beklagten am 23./24.5.2012 übernommen und in sieben Containern per Bahnfracht nach Triest transportiert. Die Ladung sollte dort am 2.6.2012 eingeschifft werden und eine Woche später in Libyen eintreffen. Am 4.6.2012 teilte die Streithelferin dem Beklagten mit, sie habe erfahren, dass aufgrund der Einfuhrbestimmungen in Libyen gebrauchte Pkws bei ihrer Einfuhr nicht älter als vier Jahre sein dürften; sie bitte um Mitteilung des genauen Alters der Fahrzeuge. Soweit diese älter als vier Jahre seien, müsste sie die Buchung ablehnen. Der Beklagte bestand ungeachtet dessen auf einer Auslieferung des Transportgutes am Bestimmungsort.
Am 12.6.2012 wurden die Container bei einem planmäßigen Zwischenstopp in Italien aus dem Schiff entladen. Die Streithelferin bat weiterhin um Angaben zum Alter der Pkws. Vergeblich, denn der Beklagte verfügte über keine Informationen und vertrat die Ansicht, die Einfuhrbestimmungen in Libyen stünden der vertragsgemäßen Erfüllung nicht entgegen. Der Verbleib des Transportgutes ist seither unklar. Daraufhin nahm die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung der an ihn geleisteten Frachtpauschale, der entrichteten Zölle sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten in Anspruch. Zudem begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, sie von allen Zahlungs- und Schadensersatzforderungen freizustellen, die die Streithelferin aus dem Transportauftrag ihr gegenüber geltend macht. Darüber beantragte sie festzustellen, dass der Beklagte ihr alle durch transportbedingte Beschädigung/Verlust und/oder transportbedingt verspätete Ablieferung entstandenen und künftig entstehenden Schäden an den von ihm zum Transport übernommenen Pkws zu ersetzen hat.
Das LG gab der Klage hinsichtlich der Zahlungsanträge vollumfänglich statt. Dem Freistellungsbegehren der Klägerin gab es lediglich hinsichtlich der sog. Equipment-Demurrage, des Lagergeldes und der Seefrachten aus dem vom Beklagten der Streithelferin erteilten Transportauftrag statt. Hinsichtlich der begehrten Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten, sprach das LG aus, der Beklagte habe im Haftungsrahmen des § 431 HGB alle Schäden zu ersetzen, die der Klägerin an dem Transportgut durch transportbedingte Beschädigung/Verlust und/oder transportbedingt verspätete Ablieferung entstanden seien oder künftig noch entstünden. Die Berufung des Beklagten sowie dessen Widerklage, mit der er beantragte, die Klägerin zu verurteilen, ihn von allen Ansprüchen freizustellen, die der Streithelferin aus dem Unterfrachtvertrag wegen der fehlenden Importfähigkeit der in den sieben Containern geladenen Fahrzeuge zustünden, blieben vor dem OLG ohne Erfolg.
Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann eine Haftung des Beklagten nach allgemeinem Frachtrecht nicht bejaht werden.
Das OLG hat angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass das Schadensereignis auf der Seestrecke eingetreten sei. Daher sei von einem unbekannten Schadensort auszugehen und verbleibe es bei der Anwendung allgemeinen Frachtrechts. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Entladen des Transportgutes durch die Streithelferin hat i.Ü. nicht zur Beendigung der Beförderung geführt, die der Beklagte der Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Frachtvertrags schuldete. Die Bestimmung des § 419 Abs. 3 S. 5 HGB regelt allein die Beendigung derjenigen Beförderung, die der Frachtführer dem Absender aufgrund des mit diesem geschlossenen Frachtvertrags schuldet. Die Beendigung der Beförderung im Unterfrachtverhältnis führt daher grundsätzlich nicht zur Beendigung der Beförderung im Hauptfrachtverhältnis.
Für die wiedereröffnete Berufungsinstanz hat der BGH auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
- § 452a HGB ist nicht anwendbar, wenn ein Schaden auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist, die auf mehreren Teilstrecken eines - hier vorliegenden - Multimodaltransports gesetzt worden sind, und jede der Ursachen den Schaden allein verursacht hätte.
- Der Zurechnungszusammenhang, der für die Bejahung einer Mitverursachung des Schadens durch den Absender zu fordern ist, fehlt, wenn die vom Absender zuerst gesetzte Ursache für den eingetretenen Schaden von absolut untergeordneter Bedeutung ist, weil das spätere Verhalten des Frachtführers dem zum Schadenseintritt führenden Geschehen eine vollkommen andere Wendung gegeben hat.
- Der Absender ist gehalten, dem Frachtführer zu dem Gut die hinsichtlich der Beförderung notwendigen und nicht offenkundigen Angaben zu machen. Dies gilt insbesondere für solche Umständen, die am Bestimmungsort Schwierigkeiten für den Frachtführer mit sich bringen können.
- Vorgerichtliche Kosten sind, insofern sie schadensbedingt entstanden sind, nicht als sonstige Kosten gem. § 432 S. 1 HGB ersatzfähig. Sie können nur ersetzt verlangt werden, wenn sie entstanden sind, nachdem und weil der Frachtführer mit von ihm zu erbringenden Schadensersatzleistungen in Verzug geraten ist.
- Die Verlustvermutung gem. § 424 Abs. 1 HGB berührt das Recht des Absenders nicht, anstelle der zunächst verlangten Entschädigung für den Verlust des Gutes später dessen Ablieferung und ggf. Schadensersatz wegen Überschreitung der Lieferfrist oder wegen Beschädigung des Gutes zu verlangen.
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