Mundspülung durfte nicht mit Bezug auf Corona beworben werden
BGH v. 21.12.2023 - I ZR 24/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte produziert und vertreibt eine " Mund- und Rachenspülung". In ihrem Internetauftritt hatte sie dieses Erzeugnis unter der Überschrift "Mundspülung ergänzend zu bestehenden Corona-Maßnahmen" und mit weiteren Aussagen in der Rubrik "FAQ" beworben. Die Klägerin ist ein Verbraucherschutzverband. Sie mahnte die Beklagte wegen Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 HWG im April 2021 erfolglos ab.
Das LG hat der Unterlassungsklage vollumfänglich stattgegeben. Das OLG hat sie im Berufungsverfahren abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH die Entscheidung des OLG aufgehoben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG, Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a IfSG zu.
Die Beklagte hat gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG verstoßen. Das OLG hat zu Unrecht ausgeführt, es handle sich bei Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG nicht um eine dynamische Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung, sondern um eine statische Bezugnahme auf das Infektionsschutzgesetz vom 20.7.2000, das weder die COVID-19-Krankheit noch SARS-CoV-2-Viren erwähne. Die Vorschrift sei nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht als dynamische Verweisung auszulegen, weil sie einerseits keinen ausdrücklichen Zusatz (wie "in der jeweils geltenden Fassung" bei § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG) enthalte, andererseits aber nicht (wie bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG) auf jeglichen Zusatz verzichtet worden sei. Anhaltspunkte für ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers seien nicht ersichtlich.
Der Wortlaut von Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG ist allerdings offen und nicht eindeutig als statische Verweisung formuliert. Auch aus der Binnensystematik des Heilmittelwerbegesetzes ergibt sich kein durchgreifendes Argument für eine statische Verweisung. Das Argument des Berufungsgerichts, dass andererseits nicht (wie bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG) auf jeglichen Zusatz verzichtet worden sei, überzeugt nicht. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG verweist für Arzneimittel auf § 2 des Arzneimittelgesetzes und damit auf eine konkret bezeichnete Vorschrift innerhalb eines Gesetzes. Auch deutet die - nicht vorrangig maßgebliche - Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht auf eine statische, sondern auf eine dynamische Verweisung hin. Zudem ist der Senat in früheren Entscheidungen zu Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG bereits stillschweigend davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber nicht statisch, sondern dynamisch auf das Bundes-Seuchengesetz verwiesen hat. Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG i.V.m. mit Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG ist schließlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen unanwendbar oder einschränkend auszulegen.
Damit liegt eine nach § 3a UWG unlautere und nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vor, die wegen der von der Beklagten nicht ausgeräumten Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) der Klägerin begründet. Dem konnte die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, auf dem Markt finde auch Werbung unter Bezugnahme auf andere, erst nach dem Jahr 2000 als meldepflichtig aufgenommene Krankheiten statt. Ein unlauteres Verhalten wird nicht dadurch zulässig, dass es in der Branche üblich ist.
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Der Wortlaut von Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG ist allerdings offen und nicht eindeutig als statische Verweisung formuliert. Auch aus der Binnensystematik des Heilmittelwerbegesetzes ergibt sich kein durchgreifendes Argument für eine statische Verweisung. Das Argument des Berufungsgerichts, dass andererseits nicht (wie bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG) auf jeglichen Zusatz verzichtet worden sei, überzeugt nicht. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG verweist für Arzneimittel auf § 2 des Arzneimittelgesetzes und damit auf eine konkret bezeichnete Vorschrift innerhalb eines Gesetzes. Auch deutet die - nicht vorrangig maßgebliche - Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht auf eine statische, sondern auf eine dynamische Verweisung hin. Zudem ist der Senat in früheren Entscheidungen zu Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG bereits stillschweigend davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber nicht statisch, sondern dynamisch auf das Bundes-Seuchengesetz verwiesen hat. Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG i.V.m. mit Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG ist schließlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen unanwendbar oder einschränkend auszulegen.
Damit liegt eine nach § 3a UWG unlautere und nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vor, die wegen der von der Beklagten nicht ausgeräumten Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) der Klägerin begründet. Dem konnte die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, auf dem Markt finde auch Werbung unter Bezugnahme auf andere, erst nach dem Jahr 2000 als meldepflichtig aufgenommene Krankheiten statt. Ein unlauteres Verhalten wird nicht dadurch zulässig, dass es in der Branche üblich ist.
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