Nicht zu ersetzender Nachteil in der Zwangsvollstreckung
BGH 8.7.2014, X ZR 61/13Das LG hatte bestätigt, dass Motorola ein Microsoft-Patent im Zusammenhang mit der Versendung von SMS verletzt und die Beklagte deshalb wegen Verletzung des europäischen Patents 1 304 891 zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Vernichtung und Rückruf verurteilt sowie die Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt. Das OLG hat die Berufung der Beklagten mit Urteil aus April 2013 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen hat die Beklagte Beschwerde erhoben.
Auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten hat das BPatG das Klagepatent aufgrund der mündlichen Verhandlung aus Mai 2014 für nichtig erklärt, und zwar nach dem Vortrag der Beklagten wegen fehlender Neuheit. Die Beklagte beantragte, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG einstweilen gegen Sicherheitsleistung einzustellen. Der BGH wies diesen Antrag zurück.
Gründe:
Die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO lagen nicht vor.
Der Beklagten waren zwar nach ihrem Vortrag durch die Zwangsvollstreckung aus den Urteilen der vorinstanzlichen Gerichte dadurch erhebliche Nachteile erwachsen, dass sie unter hohem personellen und finanziellen Aufwand eine alternative Softwarevariante permanent vorhalten und dafür sorgen muss, dass bei den von dritter Seite regelmäßig durchgeführten Updates der Basisversion der Gerätesoftware der Softwarecode der Abwandlung aufwändig in den Code der Basisversion eingearbeitet und der Gesamtcode getestet wird. Ob das den Tatbestand eines nicht zu ersetzenden Nachteils i.S.d. § 712 Abs. 1, § 719 Abs. 2 ZPO ausfüllen könnte, war allerdings unerheblich, da die Beklagte sich hierauf für die Begründetheit ihres Antrags nicht gestützt hatte.
Der nicht zu ersetzende Nachteil lag ihrer Ansicht nach vielmehr darin, dass sie sich verpflichtet sah, sich an ein gerichtliches Verbot zu halten, dessen Grundlage mit der Nichtigerklärung des Klagepatents durch das Patentgericht entfallen sei. Dem konnte jedoch nicht beigetreten werden. Denn der Umstand, dass das Klagepatent erstinstanzlich für nichtig erklärt worden war, rechtfertigte für sich allein genommen und ohne weitere Umstände nicht die Annahme, dass die (weitere) Zwangsvollstreckung einen für den Schuldner nicht zu ersetzenden Nachteil i.S.v. § 719 Abs. 2 ZPO darstellt.
Die auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Erfindung zum Schutzrecht zurückwirkende Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung eines Patents tritt nämlich erst mit der Rechtskraft des Nichtigkeitsurteils ein. Dass das Urteil des BPatG aus Mai 2014 bereits in Rechtskraft erwachsen wäre, machte die Beklagte selbst nicht geltend und dafür war auch nichts ersichtlich. Dem im Verletzungsprozess ausgesprochenen Unterlassungsgebot war dementsprechend gegenwärtig nicht die materiell-rechtliche Grundlage entzogen. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung konnte der Erlass eines der Nichtigkeitsklage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils im Nichtigkeitsverfahren für sich allein nicht als eine so gravierende Zäsur angesehen werden, dass deshalb ohne Weiteres die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt wäre.
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