Normativer Verdienstausfallschaden bei Zahlung einer ungekürzten Ergebnisbeteiligung trotz zeitweiser Arbeitsunfähigkeit
BGH 22.11.2016, VI ZR 40/16Die Klägerin verlangt von den Beklagten Ersatz von Zahlungen, die sie als Arbeitgeberin nach einem Verkehrsunfall an einen Mitarbeiter für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit erbrachte. Im August 2013 wurde der bei der Klägerin beschäftigte D (Verletzter) bei einem vom Beklagten zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Kfz verursachten Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Beklagten zu 100 % einzustehen haben, verletzt. Infolge des Unfalls war der Verletzte im Jahr 2013 über einen Zeitraum von 63 Tagen arbeitsunfähig. Im April 2014 zahlte die Klägerin dem Verletzten eine Ergebnisbeteiligung für das Jahr 2013 i.H.v. rd. 2.500 € zzgl. eines Sonderbonus von 500 €.
Bereits im Dezember 2013 hatte der Verletzte seine Ansprüche gegen den Schädiger aus dem Schadensfall "wegen und in Höhe der gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Verpflichtung bereits geleisteten oder zukünftig noch zu leistenden Zahlungen durch die D-AG [Klägerin]" an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin verlangt von den Beklagten - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - Erstattung des rechnerisch auf die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Verletzten entfallenden Teils von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus i.H.v. rd. 700 € nebst Zinsen.
AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Gründe:
Die Annahme des LG, der Klägerin stehe kein originär eigener Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu, ist zwar zutreffend. Es fehlt an der Verletzung eines der Klägerin zustehenden Rechtsguts i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB. Insbesondere liegt bei einem Unfall eines Arbeitnehmers im Straßenverkehr kein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arbeitgebers vor. Anders als das LG meint, ist die Klägerin dem Grunde nach - unabhängig von einem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 6 Abs. 1 EFZG - aus abgetretenem Recht Inhaberin des von ihr geltend gemachten Anspruchs. Der zunächst dem Verletzten zustehende Schadensersatzanspruch aus §§ 7, 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB, bzgl. der Beklagten zu 2) i.V.m. § 115 VVG, umfasst den anteiligen Ersatz von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus. Entgegen der Auffassung des LG ist dem Verletzten insoweit ein Schaden entstanden.
Der Anspruch des Verletzten auf Zahlung von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus für das Jahr 2013 wurde durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Verletzten weder im Bestand noch in der Höhe beeinträchtigt. Dem Verletzten standen die Ansprüche trotz seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in voller Höhe zu. Die rechnerisch auf den Zeitraum der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Verletzten entfallenden Teile von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus sind aber nach den zur normativen Schadensbetrachtung entwickelten Grundsätzen als Schaden des Verletzten anzusehen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass die Differenzrechnung dann normativ wertend zu korrigieren ist, wenn die Differenzbilanz die Schadensentwicklung für den Normzweck der Haftung nicht hinreichend erfasst.
Die Annahme eines normativen Schadens kommt z.B. auch dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber dem Verletzten dessen Arbeitsentgelt trotz Arbeitsunfähigkeit über das vom Entgeltfortzahlungsgesetz verlangte Maß hinaus gewährt und es insoweit nicht zu einem gesetzlichen Anspruchsübergang nach § 6 Abs. 1 EFZG kommt. Denn auch insoweit haben die Zahlungen des Arbeitgebers nicht den Sinn, den Schädiger zu entlasten. Nach diesen Grundsätzen steht der Umstand, dass der Anspruch des Verletzten gegen die Klägerin auf Zahlung von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus nach der ihm zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung in Bestand und Höhe von der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Verletzten unabhängig ist, der Annahme eines entsprechenden Schadens nicht entgegen.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt Entgelte für die geleistete Arbeit darstellen, die zum Verdienst des Arbeitnehmers gehören und die der Arbeitgeber deshalb im Wege des Schadensersatzes - sobald die Forderung auf ihn übergegangen ist bzw. ihm übertragen wurde - gegen den Schädiger geltend machen kann. Dasselbe gilt für die Weihnachts- bzw. Jahreszuwendung. Zwar kann deren Zweck unterschiedlich sein, also entweder als Entgelt im engeren Sinne ausschließlich darauf gerichtet sein, die im vorausgegangen Jahr geleistete Arbeit zusätzlich zu vergüten, allein als Belohnung für die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue oder Anreiz für künftige Betriebstreue gemeint sein oder beide Elemente miteinander verbinden. Bei der Abwicklung von Schadensersatzansprüchen kommt es auf die - grundsätzlich durch Auslegung der zugrundeliegenden Vereinbarung vorzunehmende - Einordnung der Jahreszuwendung in eine dieser Kategorien aber nicht an. Nichts anderes kann für die im Streitfall in Rede stehende Ergebnisbeteiligung einschließlich Sonderbonus gelten.
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