05.03.2018

Nutzung eines Mietwagens nach einem Verkehrsunfall ist nicht immer erforderlich

Bei einer geringen Fahrleistung kann das Anmieten eines Ersatzwagens nach einem Verkehrsunfall nicht erforderlich sein. Dem Geschädigten steht dann nur eine Nutzungsausfallentschädigung zu.

OLG Hamm 23.1.2018, 7 U 46/17
Der Sachverhalt:
Der seinerzeit 76 Jahre alte Kläger war im Februar 2016 in Bielefeld in einem Verkehrsunfall verwickelt, für den allein die Beklagte verantwortlich war. Der Kläger mietete kurz darauf einen Toyota Aygo als Ersatzfahrzeug an. Mit der Reparatur seines beim Unfall beschädigten Toyota Yaris beauftragte er eine Kfz-Werkstatt in Lemgo. Der von dort aus mit der Schadensbegutachtung beauftragte Kfz-Sachverständige ermittelte Reparaturkosten i.H.v. rund 4.300 €, einen Wiederbeschaffungswert von 3.900 € und eine Reparaturdauer von 4-5 Arbeitstagen. Nach Abschluss der Reparaturarbeiten hatte der Kläger den Mietwagen elf Tage in Anspruch genommen und in dieser Zeit 239 km zurückgelegt.

Der beklagte Haftpflichtversicherer lehnte die Erstattung der Mietwagenkosten i.H.v. rund 1.230 € ab. Er war der Ansicht, das Anmieten eines Ersatzfahrzeugs sei bei geringer Fahrleistung - wie im vorliegenden Fall - nicht erforderlich. Auch das LG sah die geltend gemachten Mietwagenkosten nicht als ersatzfähig an. Der Kläger habe nach dem eingeholten Gutachten nur mit einer Wiederherstellungsdauer von vier bis fünf Tagen zu rechnen gehabt. Für diese wenigen Tage sei es ihm zuzumuten gewesen, für anstehende Fahrten ein Taxi zu benutzen, zumal er den beschädigten Pkw nicht für berufliche Zwecke gebraucht habe. Das Gericht hat die ersatzfähigen vorgerichtlichen Anwaltskosten entsprechend reduziert.

Mit seiner Berufung blieb der Kläger vor dem OLG weitestgehend erfolglos. Das Berufungsurteil ist mittlerweile rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Kläger hat Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 115 €. Einen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten hat er jedoch nicht.

Das Anmieten eines Ersatzwagens durch den Kläger war zur Schadensbehebung nicht erforderlich. Der Toyota des Klägers war nach dem Unfall noch fahrbereit gewesen. Er hatte ihm insofern nur für die tatsächliche Dauer der Reparatur nicht zur Verfügung gestanden. Die Reparatur konnte nach den Feststellungen des Sachverständigen in 5 Tagen durchgeführt werden. Dass sie dann tatsächlich länger gedauert hatte, konnte der Senat nicht feststellen, weil der Beginn der Reparaturarbeiten nicht mehr zu ermitteln war.

Unter dem Gesichtspunkt eines von dem Schädiger zu tragenden Prognoserisikos kann der Kläger nicht die Kosten für das elftägige Anmieten des Ersatzfahrzeuges beanspruchen. Nach dem Prognoserisiko schuldet ein Schädiger nämlich dem Geschädigten nur die Mehrkosten, die ohne eigenes Verschulden des Geschädigten durch die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen entstanden sind. Dieser Gesichtspunkt kam im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, weil der Kläger die Schadensabwicklung vollständig aus der Hand gegeben und somit selbst gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hatte.

Bei der Beurteilung der Mietwagenkosten war zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger in den elf Tagen nur 239 km gefahren ist. Abzüglich der einmalig zurückgelegten Strecke von seinem Wohnhaus zur Kfz-Werkstatt ist er damit nur ca. 16 km pro Tag gefahren. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass ein tägliches Fahrbedürfnis von weniger als 20 km am Tag ein Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt. Schließlich ist der Geschädigte in einem solchen Fall nicht darauf angewiesen, ständig ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben. Infolgedessen hätte es sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass Mietwagenkosten von rund 111 € pro Tag die bei seinen Fahrten voraussichtlich anfallenden Taxikosten um ein Mehrfaches übersteigen würden.

Hinzu kam, dass der Kläger bei der Reparatur - zulässig - unter Wahren seines Integritätsinteresses im Rahmen der 130 %-Grenze seinen Wagen hat reparieren lassen. Entschließt sich der Geschädigte bei einer derartigen Situation jedoch zur Reparatur seines Fahrzeugs, muss er die 130 %-Grenze beim Anmieten seines Ersatzfahrzeugs reflektieren. Das hatte der Kläger im vorliegenden Fall nicht ausreichend getan, weil die von ihm geltend gemachten Reparaturkosten von ca. 4.300 € und die Mietwagenkosten von ca. 1.230 € die 130 %-Grenze von 5.070 € überschritten.

Linkhinweis:

OLG Hamm Pressemitteilung vom 5.3.2018
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