12.12.2023

Online-Glücksspiel: Keine deliktischen Ansprüche gegen den Casino-Betreiber

Eine teleologische Reduktion des § 817 BGB zugunsten des Spielers kommt bei Nichtigkeit des Spielvertrages mit dem Betreiber ein Website, auf der nicht konzessionierte Online-Casino-Angebote zugänglich sind, nicht in Betracht. Eine Schadensersatzverpflichtung des Betreibers für die verloren gegangenen Spieleinsätze folgt nicht aus § 823 Abs. 2 BGB, da weder § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. noch § 284 StGB Schutzgesetze i.S.d. Regelung sind, die das Vermögen des Spielers mit Blick auf verloren gegangene Einsätze schützen sollen.

LG Hagen v. 5.10.2023 - 8 O 231/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangte von der Beklagten verloren gegangene Einsätze ersetzt, die er an die Beklagte zur Frequentierung von ihr angebotener Online-Casino-Spiele gezahlt hatte. Die Online-Casino-Seite war bis zum 14.10.2020 abrufbar. Erst im Jahr 2022 erhielt die Beklagte eine deutsche Lizenz für Automatenspiele und Online-Poker. Zuvor hielt sie nur die erforderlichen Konzessionen für Sportwetten-Angebote.

Von 2014 bis 2020 verlor der Kläger durch virtuelles Automatenglücksspiel ("slot-machines"), unter Berücksichtigung von Gewinnen rund 26.912 €. Die Einsätze waren dabei dergestalt zu tätigten, dass die Nutzer über einen Zahlungsdienstleister Guthaben auf ihr Spielerkonto bei der Beklagten einzahlen, um von diesem Guthaben Einsätze für die jeweiligen Spiel-Angebote tätigen zu können.

Der Kläger behauptete, er sei spielsüchtig. Er war der Ansicht, dass die Glücksspielangebote der Beklagten gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstießen, was eine Nichtigkeit zur Folge hätte. Die Regelung des § 817 S. 2 BGB finde auf die getätigten Einsätze schon dem Grunde nach keine Anwendung, da sie nicht zu der von dem Verbotsgesetz missbilligten Leistung gehörten. Jedenfalls sei dem Kläger die Illegalität des Angebotes nicht bekannt gewesen. Darauf könne auch nicht ohne weiteres geschlossen werden, da das Verbot von Online-Glücksspielen nicht allgemein bekannt gewesen sei. Die Beklagte setzte die Einrede der Verjährung dagegen.

Das LG gab der Klage nur teilweise statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 2.150 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Auf den Vertrag fand nach der ROM-I-VO deutsches Recht Anwendung.

Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB lagen vor, die Beklagte hatte durch Leistung des Klägers ohne Rechtsgrund etwas erlangt, wobei die Rechtsgrundlosigkeit der nicht bereits aus der behaupteten Spielsucht folgte, die - läge sie in pathologischer Form vor - gem. § 105 BGB zur Nichtigkeit der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung des Klägers führte. Der mit der Beklagten bei Anmeldung auf ihrer Website abgeschlossene Nutzungsvertrag stellte jedoch keinen Rechtsgrund dar, weil dieser wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. §§ 134 BGB, § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nichtig war.

Ob auch die subjektiven Voraussetzungen der Regelung vorlagen, konnte nicht dahinstehen, denn eine teleologische Reduktion des Tatbestandes dahingehend, dass der Kondiktionsausschlus selbst bei positiver Kenntnis des Gesetzesverstoßes keine Anwendung findet, kam nicht in Betracht. Es ist anerkannten Rechtes, dass § 817 S. 2 BGB dann einschränkend auszulegen ist, wenn die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustands mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar ist und deshalb von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann. Die Kammer hat nicht den Eindruck, dass sich der Kläger der Erkenntnis der Gesetzeswidrigkeit des Angebotes leichtfertig verschlossen hatte.

Die Beklagte hat demnach gem. §§ 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB die erlangten Vermögenswerte zurückzuzahlen bzw. entsprechenden Wertersatz zu leisten. Durchsetzbar sind aber nur 2.150 €, denn die Beklagte konnte dem Zahlungsanspruch gem. § 214 Abs. 1 BGB erfolgreich die Einrede der Verjährung entgegenhalten. Die Rückzahlungsansprüche gerichtet auf die Spieleinsätze vor dem 1.1.2019 sind in Anwendung der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB, die insoweit gilt und die lediglich für Ansprüche ab den 1.1.2019 in Anwendung der §§ 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB bis zur maßgeblichen Hemmung durch die Klageerhebung nach den §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO nicht abgelaufen war, verjährt.

Aus Delikt konnte der Kläger keine weitergehenden Ansprüche gegenüber der Beklagten liquidieren. Eine Schadensersatzverpflichtung des Betreibers für die verloren gegangenen Spieleinsätze folgt nicht aus § 823 Abs. 2 BGB, da weder § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. noch § 284 StGB Schutzgesetze i.S.d. Regelung sind, die das Vermögen des Spielers mit Blick auf verloren gegangene Einsätze schützen sollen.

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Rechtsprechung
Online-Glücksspiel mit Kondiktionssperre
OLG Hamm vom 21.03.2023 - 21 U 116/21
Markus Rössel, ITRB 2023, 233

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