08.04.2024

Online-Werbung: Amazon muss Werbearchiv öffentlich zugänglich machen

Gemäß der Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste hat die EU-Kommission Amazon als sehr große Online-Plattform benannt. Das bedeutet, dass Amazon ein Werbearchiv mit detaillierten Informationen über ihre Online-Werbung öffentlich zugänglich machen muss. Der EuGH hat den Antrag von Amazon auf Aussetzung dieser Pflicht zurückgewiesen.

EuGH v. 27.3.2024 - C-639/23 P(R)
Der Sachverhalt:
Amazon Services Europe gehört zum Amazon-Konzern. Ihre geschäftlichen Aktivitäten umfassen den Online-Einzelhandel und weitere Dienstleistungen wie Cloud Computing und Online-Streaming. Sie erbringt Online-Marktplatzdienste an Drittverkäufer und ermöglicht ihnen, Waren im Amazon Store zum Kauf anzubieten.

Mit Beschluss vom 23.4.2023, der gemäß der Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste erlassen wurde, benannte die Kommission Amazon Store als sehr große Online-Plattform. Dies bedeutet u.a., dass Amazon Store ein Werbearchiv mit detaillierten Informationen über ihre Online-Werbung öffentlich zugänglich machen muss. Amazon beantragte beim Gericht der Europäischen Union die Nichtigerklärung dieses Beschlusses. Sie stellte außerdem einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz.

Mit Beschluss vom 27.9.2023 ordnete der Präsident des Gerichts die Aussetzung des Beschlusses der Kommission an, soweit Amazon Store damit verpflichtet wird, das Werbearchiv öffentlich zugänglich zu machen. Die Kommission hat gegen den Beschluss des Präsidenten des Gerichts beim Gerichtshof ein Rechtsmittel eingelegt.

Der EuGH hat den Teil des Beschlusses des EuG aufgehoben, mit dem der Beschluss der Kommission in Bezug auf das Werbearchiv ausgesetzt wird. Da die Kommission vor dem Gerichtshof die Argumente vorgetragen hat, mit denen sie dem Vorbringen von Amazon vor dem Gericht entgegentreten wollte, hat der EuGH den Rechtsstreit endgültig entschieden und den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen.

Die Gründe:
Das Vorbringen von Amazon, die vom Unionsgesetzgeber eingeführte Pflicht, ein Werbearchiv öffentlich zugänglich zu machen, schränke ihre Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf unternehmerische Freiheit rechtswidrig ein, kann dem ersten Anschein nach nicht als unerheblich und außerdem völlig haltlos angesehen werden. Zudem würde Amazon, wenn keine Aussetzung erfolgt, vor einem eventuell ergehenden Urteil, mit dem der Beschluss der Kommission für nichtig erklärt wird, wahrscheinlich einen schwerwiegenden und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden.

Diese Feststellungen sind jedoch für sich allein genommen nicht entscheidend. Es ist nämlich zu prüfen, ob die Abwägung sämtlicher beteiligter Interessen die Versagung der Aussetzung rechtfertigen kann. Hierzu ist festzustellen, dass Amazon in dem Fall, dass die Aussetzung nicht gewährt wird, weiterhin ein Interesse an der Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission hätte. Außerdem ist nicht dargetan, dass in diesem Fall die Existenz oder die langfristige Entwicklung von Amazon auf dem Spiel stünden. Darüber hinaus würde die Aussetzung bedeuten, das vollständige Erreichen der Ziele der Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste möglicherweise über mehrere Jahre hinauszuschieben und damit möglicherweise ein Online-Umfeld bestehen oder sich entwickeln zu lassen, das eine Bedrohung für die Grundrechte darstellt; der Unionsgesetzgeber war aber der Auffassung, dass die sehr großen Online-Plattformen eine wichtige Rolle in diesem Umfeld spielen. Die vom Unionsgesetzgeber vertretenen Interessen gehen im vorliegenden Fall den materiellen Interessen von Amazon vor, weshalb die Abwägung zugunsten der Zurückweisung des Aussetzungsantrags ausfällt.

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EuGH PM Nr. 60 vom 27.3.2024
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