Optionale Reiseversicherung bei Flugbuchungen im Internet: Nach gesetztem Häkchen zur Abwahl darf keine erneute Abfrage zu dieser Option erfolgen
BGH 29.9.2016, I ZR 160/15Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen und weiterer Verbraucherorganisationen in Deutschland und in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragen. Die in London ansässige Beklagte betreibt ein Internetportal, über das Reiseleistungen gebucht werden können. Der Buchungsablauf erfolgt derart, dass die Buchung eines Fluges nur fortgesetzt werden kann, wenn der Besucher des Portals in dem Block unter der Überschrift "Wir empfehlen den Abschluss einer Reiseversicherung" sich durch Anklicken für eine der drei Möglichkeiten entscheidet:
- "Reiserücktrittsversicherung",
- "Reiseschutz- und Rücktrittsversicherung",
- "Ich verzichte ausdrücklich auf den angebotenen Reiseschutz und zahle im Notfall alle Kosten selbst".
Entscheidet sich der Nutzer durch Anklicken für die letzte Möglichkeit, erscheint ein Fenster mit der Überschrift "Sie haben sich entschieden, ohne Versicherung zu verreisen". In dem Fenster wird der Buchungsinteressent darauf hingewiesen, dass bei einer Stornierung durchschnittlich Kosten i.H.v 275 € anfallen, in einigen Fällen aber auch deutlich mehr. Ferner weist die Beklagte nochmals auf die für 9 € erhältliche Reiseversicherung hin. Ein orange unterlegtes Feld rechts unten trägt die Aufschrift "Weiter Ich möchte abgesichert sein". Links befindet sich das nicht farblich unterlegte und in kleinerer Schrift gehaltene Feld "Weiter ohne Versicherung".
Sucht der Nutzer nach günstigen Flügen zu einem bestimmten Zielort, weist die Trefferliste in einem ersten Buchungsschritt Preise aus, denen die automatische Voreinstellung "Gewählte Zahlungsart American Express" zugrunde liegt. Dies wird in einem sog. Zahlungsfilter auf der linken Seite des Bildschirms angezeigt. Unterhalb des jeweiligen Suchergebnisses befindet sich der Hinweis:
"Der günstigste Gesamtpreis wurde für Sie ausgewählt. Dieser gilt bei Zahlung mit der günstigsten Zahlungsart. Der 'Zahlungsfilter' zeigt Preise mit anderen Zahlungsarten."
Zahlt der Kunde nicht mit der Kreditkarte American Express, fallen ein zusätzliches Zahlungsentgelt und eine Servicegebühr an. Wählt der Nutzer eine andere Zahlungsart als American Express und wählt er das Feld "Neue Preisberechnung", werden die Suchergebnisse zu den Preisen einschließlich Zahlungsentgelt und Servicepauschale angezeigt.
Mit dem Klageantrag zu 1) beanstandet der Kläger den Buchungsvorgang im Zusammenhang mit der Reiseversicherung. Mit dem Klageantrag zu 2) wendet der Kläger sich dagegen, dass der Interessent im dritten Buchungsschritt zur Auswahl eines Zahlungsmittels aufgefordert wird und bei Wahl einer anderen Zahlungsart als der American Express-Karte sich der zuvor ausgewiesene Flugpreis um das Zahlungsentgelt und die Servicepauschale erhöht.
LG und KG gaben der Klage antragsgemäß statt. Die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Die Mitteilung der Kosten der Reiserücktrittsversicherung in der angegriffenen Gestaltung des Buchungsvorgangs steht nicht im Einklang mit dem in Art. 23 Abs. 1 S. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 vorgesehenen Gebot der Klarheit, Transparenz und Eindeutigkeit.
Bei den Kosten der auf der Internetseite der Beklagten zum Flug hinzubuchbaren Reiserücktrittsversicherung handelt es sich um fakultative Zusatzkosten i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008. Hierzu zählen im Zusammenhang mit Flugreisen stehende Kosten von Leistungen, die - wie eine Reiserücktrittsversicherung - den Luftverkehrsdienst ergänzen, aber für die Beförderung des Fluggastes weder obligatorisch noch unerlässlich sind, auch wenn sie von einer anderen Person als dem Luftverkehrsunternehmen erbracht und von dem Vermittler dieser Reise in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis von dem Kunden erhoben werden.
Die angegriffene Gestaltung des Buchungsvorgangs erfüllt nicht die Voraussetzungen der klaren, transparenten und eindeutigen Mitteilung von fakultativen Zusatzkosten i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008. Ist der Buchungsvorgang derart gestaltet, dass der Verbraucher, der eine fakultative Leistung zuvor bereits abgewählt hat, im weiteren Verlauf über die erneute Notwendigkeit der Abwahl dieser Leistung getäuscht wird, so ist der Verbraucher nicht in der Lage, eine bewusste und informierte Entscheidung zwischen mehreren Buchungsmöglichkeiten zu treffen.
Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des KG, bei der "Servicepauschale" handele es sich um ein in den Endpreis einzurechnendes unvermeidbares und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbares Entgelt i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008. Eine bei der Buchung regelmäßig anfallende Bearbeitungsgebühr ("Service Charge", "Servicepauschale") stellt ein i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 unvermeidbares und im Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbares Entgelt dar, das in den bei jeder Preisangabe anzugebenden Endpreis einzubeziehen ist. Gegen die Einordnung der Servicepauschale als unvermeidbares Entgelt spricht nicht der Umstand, dass mit der American Express-Kreditkarte zahlende Kunden diese Pauschale nicht entrichten müssen. Nach Erwägungsgrund 16 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 dient die Pflicht zur Ausweisung des Endpreises einschließlich aller Steuern, Gebühren und Entgelte dem Zweck, den Kunden in die Lage zu versetzen, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für Flugdienste effektiv zu vergleichen.
Dieser Zweck, der bei der Auslegung der Richtlinie zu berücksichtigen ist, würde verfehlt, wenn der Anbieter der Einbeziehung der Servicepauschale in den Endpreis gem. Art. 23 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 dadurch entgehen könnte, dass er einzelne Kundengruppen, die ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzen, durch den Erlass der Pauschale bevorzugt. Für Kunden, die das privilegierte Zahlungsmittel nicht nutzen, ist ein effektiver Preisvergleich nicht möglich, wenn der angezeigte Endpreis die von ihnen zu entrichtende Servicepauschale nicht enthält. Nach dem am Schutzzweck der Vorschrift orientierten Verständnis sind Entgelte nicht nur dann unvermeidbar i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008, wenn jeder Kunde sie aufzuwenden hat, sondern grundsätzlich bereits dann, wenn nicht jeder Kunde sie vermeiden kann.
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