Patentnichtigkeitsklageverfahren - Berücksichtigung einer verspäteten Entgegenhaltung des Klägers?
BGH v. 15.12.2020 - X ZR 180/18
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 1 974 150 (Streitpatents), das am 18.1.2007 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 18.1.2006 angemeldet wurde. Das Streitpatent betrifft eine vornehmlich für Kraftfahrzeuge vorgesehene Scheibenbremse mit einem Bremsträger, der fest an einem Achskörper angebracht ist. Es betrifft das technische Problem, eine Scheibenbremse bereitzustellen, die möglichst einfach aufgebaut ist, möglichst leicht ist und möglichst einfach montiert werden kann.
Die Klägerin war der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, die Erfindung sei nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Schutzrechts gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Die Beklagte hat das Streitpatent in drei geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent im nicht mehr verteidigten Umfang für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise in einer abermals geänderten Fassung. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Entgegen der Auffassung der Berufung führt die beschränkte Verteidigung im Streitfall nicht zu zusätzlichen Schwierigkeiten, die eine Unklarheit begründen könnten. Der von der Beklagten in erster Linie verteidigte Gegenstand ist ausführbar offenbart und geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Die neue Entgegenhaltung betrifft keinen Gesichtspunkt, den das Patentgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ihre Vorlage ist in erster Instanz auch nicht aufgrund eines Verfahrensmangels unterblieben (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO), sondern deshalb, weil die Klägerin erst in zweiter Instanz von ihr Kenntnis erlangt hat, und zwar aus einem im Januar 2020 ergangenen Prüfungsbescheid betreffend die deutsche Patentanmeldung, deren Priorität das Streitpatent in Anspruch nimmt. Die Entgegenhaltung darf auch nicht gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO berücksichtigt werden, denn es beruht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin oder ihrer Prozessbevollmächtigten, für deren Verschulden sie gem. § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen hat, dass sie die Entgegenhaltung nicht schon in erster Instanz aufgefunden und zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat.
Nach der Rechtsprechung des Senats darf eine Entgegenhaltung, auf die der Kläger erst in zweiter Instanz aufmerksam geworden ist, gem. § 117 Satz 1 PatG und § 531 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO nur dann berücksichtigt werden, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht, warum eine Recherche, die das Dokument zutage gefördert hätte, in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war. Hierzu muss der Kläger konkret dartun, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt und warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat (BGH-Urteil v. 27.8.2013 - X ZR 19/12 - Tretkurbeleinheit).
Dem Vortrag der Klägerin ließ sich nicht entnehmen, dass die von ihr veranlassten Recherchen diesen Anforderungen gerecht geworden wären. Dies ist jedenfalls deshalb als nachlässig anzusehen, weil sie selbst im Zusammenhang mit der zweiten Recherche die europäische Patentanmeldung 1 610 025 gefunden hatte, die vom gleichen Anmelder stammte wie D20 und D20de, u.a. den Klassen F16D 55/00 und 55/226 zugeordnet ist und eine in weiten Teilen gleich aufgebaute Vorrichtung betrifft.
BGH online
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 1 974 150 (Streitpatents), das am 18.1.2007 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 18.1.2006 angemeldet wurde. Das Streitpatent betrifft eine vornehmlich für Kraftfahrzeuge vorgesehene Scheibenbremse mit einem Bremsträger, der fest an einem Achskörper angebracht ist. Es betrifft das technische Problem, eine Scheibenbremse bereitzustellen, die möglichst einfach aufgebaut ist, möglichst leicht ist und möglichst einfach montiert werden kann.
Die Klägerin war der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, die Erfindung sei nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Schutzrechts gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Die Beklagte hat das Streitpatent in drei geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent im nicht mehr verteidigten Umfang für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise in einer abermals geänderten Fassung. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Entgegen der Auffassung der Berufung führt die beschränkte Verteidigung im Streitfall nicht zu zusätzlichen Schwierigkeiten, die eine Unklarheit begründen könnten. Der von der Beklagten in erster Linie verteidigte Gegenstand ist ausführbar offenbart und geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Die neue Entgegenhaltung betrifft keinen Gesichtspunkt, den das Patentgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ihre Vorlage ist in erster Instanz auch nicht aufgrund eines Verfahrensmangels unterblieben (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO), sondern deshalb, weil die Klägerin erst in zweiter Instanz von ihr Kenntnis erlangt hat, und zwar aus einem im Januar 2020 ergangenen Prüfungsbescheid betreffend die deutsche Patentanmeldung, deren Priorität das Streitpatent in Anspruch nimmt. Die Entgegenhaltung darf auch nicht gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO berücksichtigt werden, denn es beruht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin oder ihrer Prozessbevollmächtigten, für deren Verschulden sie gem. § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen hat, dass sie die Entgegenhaltung nicht schon in erster Instanz aufgefunden und zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat.
Nach der Rechtsprechung des Senats darf eine Entgegenhaltung, auf die der Kläger erst in zweiter Instanz aufmerksam geworden ist, gem. § 117 Satz 1 PatG und § 531 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO nur dann berücksichtigt werden, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht, warum eine Recherche, die das Dokument zutage gefördert hätte, in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war. Hierzu muss der Kläger konkret dartun, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt und warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat (BGH-Urteil v. 27.8.2013 - X ZR 19/12 - Tretkurbeleinheit).
Dem Vortrag der Klägerin ließ sich nicht entnehmen, dass die von ihr veranlassten Recherchen diesen Anforderungen gerecht geworden wären. Dies ist jedenfalls deshalb als nachlässig anzusehen, weil sie selbst im Zusammenhang mit der zweiten Recherche die europäische Patentanmeldung 1 610 025 gefunden hatte, die vom gleichen Anmelder stammte wie D20 und D20de, u.a. den Klassen F16D 55/00 und 55/226 zugeordnet ist und eine in weiten Teilen gleich aufgebaute Vorrichtung betrifft.