14.11.2019

Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte bei Kaufpreisrentenansprüchen?

Kaufpreisrentenansprüche, die der Schuldner durch vertragliche Vereinbarung als Abfindung für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen vor Insolvenzeröffnung erworben hat, werden von dem Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte erfasst.

BGH v. 12.9.2019 - IX ZB 56/18
Der Sachverhalt:
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 25.1.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner war bis 1992 an verschiedenen Gesellschaften u.a. als Kommanditist der Beteiligten zu 2) beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 15.10.1992 veräußerte er seine Gesellschaftsanteile gegen eine Abfindung von rd. 156.000 DM und eine auf Lebenszeit zu zahlende, wertgesicherte Kaufpreisrente von mtl. 5.000 DM. Hinsichtlich der hieraus erzielten mtl. Einkünfte i.H.v. zuletzt rd. 2.600 € hat er beantragt, ihm nach § 850i Abs. 1 ZPO einen Betrag von rd. 2.200 € pfandfrei zu belassen.

Das AG - Insolvenzgericht - lehnte als Vollstreckungsgericht den Antrag ab und stellte auf Antrag des Insolvenzverwalters fest, dass die Ansprüche aus der Kaufpreisrente dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners wies das LG zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann die vom Schuldner beantragte Pfandfreistellung der Kaufpreisrentenansprüche nicht verweigert werde

Wie der BGH bereits entschieden hat, erfasst der Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte. Unter die Vorschrift fallen auch Einkünfte aus kapitalistischer Tätigkeit, etwa Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, auch Werklohnansprüche und aus der Verwertung von Eigentum des Schuldners resultierende Forderungen, unabhängig davon, ob das zur Entstehung der Forderung verwertete Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind. Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung und ihrer systematischen Auslegung in Verbindung mit dem Willen des Gesetzgebers. Im Insolvenzverfahren wie im Verfahren der Einzelzwangsvollstreckung soll gewährleistet werden, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt in angemessenem Umfang mit eigenen Mitteln bestreiten kann und hierfür nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist.

Danach unterfallen die verfahrensgegenständlichen Kaufpreisrentenansprüche, die der Schuldner durch vertragliche Vereinbarung begründet und damit selbst erwirtschaftet hat, dem § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO. Soweit das LG anführt, die Kaufpreisrente nicht anders behandeln zu können als einen Kaufpreisanspruch, kann dies eine Versagung des Pfändungsschutzes nicht begründen, weil auch ein Kaufpreisanspruch in den Anwendungsbereich des § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO fällt. Dass hingegen dem Schuldner bei Zahlung des gesamten Kaufpreises für daraus bei Verfahrenseröffnung etwa noch vorhandene Geldmittel kein Pfändungsschutz nach § 850i ZPO zugestanden hätte, folgt aus dem Erlöschen der Forderung durch Erfüllung und besagt nichts darüber, ob der Anspruch vor seiner Erfüllung dem § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO unterfiel.

Die Entscheidung des LG war daher aufzuheben. Das LG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, in welcher Höhe dem Schuldner nach §§ 850i, 850c Abs. 1, 2a ZPO Pfändungsschutz für die Kaufpreisrentenansprüche zu gewähren ist. Der Pfändungsschutz des § 850i Abs. 1 ZPO greift nicht stets in vollem Umfang durch. Zwar spielen in der Gesamtvollstreckung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten (§ 850i Abs. 1 Satz 2 ZPO) grundsätzlich keine Rolle, weil in der Insolvenz sämtliche pfändbaren Vermögensgegenstände (§ 36 Abs. 1 InsO) in die Masse fallen und deswegen zugunsten der Gläubiger verwertet werden.

Auch ist § 850i Abs. 1 Satz 3 ZPO im Insolvenzverfahren nicht unmittelbar anwendbar, weil durch diese Regelung sichergestellt werden soll, dass die individuellen Belange des vollstreckenden Gläubigers etwa seine über die allgemeinen Verhältnisse hinausgehende Schutzbedürftigkeit Berücksichtigung finden. Im Insolvenzverfahren ist eine solche Abwägung zugunsten einzelner Gläubiger ausgeschlossen. Gleichwohl bedarf es nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850i Abs. 1 ZPO einer wertenden Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, ob und wie die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO unter Abwägung der Belange von Schuldner und Gläubiger zur Anwendung kommen.

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