15.12.2015

Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung für die Eigennutzung einer Eigentumswohnung durch den Schuldner keine Mitwirkungspflicht nach der InsO

Die Pflicht des Schuldners, im Insolvenzverfahren für die Nutzung seiner Eigentumswohnung eine Entschädigung an die Masse zu zahlen, ist keine Mitwirkungspflicht nach der InsO, bei deren Verletzung die Restschuldbefreiung zu versagen wäre. Die Frage, ob der Insolvenzverwalter vom Schuldner eine Nutzungsentschädigung verlangen kann, ist im ordentlichen Verfahren vor dem Prozessgericht zu klären und nicht als Vorfrage der Entscheidung über einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung.

BGH 19.11.2015, IX ZB 59/14
Der Sachverhalt:
Der Schuldner, über dessen Vermögen am 24.2.2011 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, bewohnt eine in seinem Eigentum stehende Wohnung mit einer Wohnfläche von 146 qm. Die Wohnung ist baulich mit der benachbarten Eigentumswohnung seiner Lebensgefährtin verbunden. Am 12.6.2013 wurde die Zwangsversteigerung der Wohnung des Schuldners beantragt. Ein Zwangsverwaltungsverfahren ist nicht anhängig.

Der Insolvenzverwalter zog vom Nettoeinkommen des Schuldners i.H.v. rd. 2.750 € den pfändbaren Teilbetrag von rd. 1.030 € ein und forderte den Schuldner im Laufe des Jahres 2013 mehrfach vergeblich auf, für die Eigentumswohnung zusätzlich eine mtl. Nutzungsentschädigung i.H.v. 500 € zu zahlen.

Auf den von der weiteren Beteiligten zu 1) im Schlusstermin am 3.4.2014 gestellten Antrag versagte das AG - Insolvenzgericht - dem Schuldner die Restschuldbefreiung. Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat vor dem LG keinen Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH die Entscheidungen von AG und LG auf und wies den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zurück.

Die Gründe:
Gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist die Restschuldbefreiung auf den von einem Insolvenzgläubiger im Schlusstermin gestellten Antrag zu versagen, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Die Verpflichtung des Schuldners, während des Insolvenzverfahrens für die Nutzung der eigenen Wohnung eine Entschädigung zu zahlen, stellt keine Mitwirkungspflicht i.S.v. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO dar. Die Weigerung des Schuldners, eine solche Entschädigung zu zahlen, rechtfertigt nicht die Versagung der Restschuldbefreiung. Nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist die Restschuldbefreiung nur dann zu versagen, wenn Auskunfts- und Mitwirkungspflichten "nach diesem Gesetz", also in der InsO geregelte Pflichten verletzt werden. Gemeint sind in erster Linie die Pflichten des Schuldners nach § 20 Abs. 1 und § 97 InsO. Nach § 97 Abs. 2 InsO hat der Schuldner den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen.

Der Senat hat deshalb entschieden, dass der Schuldner Neuerwerb an den Insolvenzverwalter abzuführen hat, etwa pfändbares Arbeitseinkommen aus abhängiger Beschäftigung oder Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Verletzt er eine dieser Pflichten, verwirklicht er den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Der Insolvenzverwalter hat auch die Aufgabe, ein Entgelt für die Nutzung einer im Eigentum des Schuldners stehenden Wohnung zur Masse einzuziehen. Nutzt ein Dritter die Wohnung, ist der Schuldner gem. § 97 Abs. 2 InsO verpflichtet, nach Möglichkeit an der Einziehung einer Nutzungsentschädigung mitzuwirken. Bewohnt der Schuldner die Wohnung aber wie hier selbst, steht seine eigene Zahlungspflicht wegen der rechtsgrundlosen Nutzung der Wohnung in Rede und nicht seine Pflicht, den Insolvenzverwalter bei der Geltendmachung dieses Anspruchs zu unterstützen. Die Zahlungsverpflichtung des Schuldners ergibt sich aus dem BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung und nicht aus einer von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorausgesetzten Mitwirkungspflicht "nach diesem Gesetz".

Die Mitwirkungspflicht des Schuldners nach § 97 Abs. 2 InsO soll dem Verwalter die Ausführung der ihm im Insolvenzverfahren obliegenden Aufgaben erleichtern. Sie bezweckt hingegen nicht, den Schuldner mittels der sonst drohenden Versagung der Restschuldbefreiung dazu zu drängen, gegen ihn selbst gerichtete Ansprüche der Insolvenzmasse zu erfüllen. Der Schuldner muss die Möglichkeit haben, die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung zu bestreiten, ohne Gefahr zu laufen, dadurch die Aussicht auf Restschuldbefreiung einzubüßen. Die Frage, ob der Insolvenzverwalter vom Schuldner eine Nutzungsentschädigung verlangen kann, ist deshalb im ordentlichen Verfahren vor dem Prozessgericht zu klären und nicht als Vorfrage der Entscheidung über einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung.

Will der Insolvenzverwalter diesen Weg nicht gehen, steht es ihm frei, den Schuldner, der nicht bereit ist, eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, zur Räumung der Wohnung aufzufordern, um diese anschließend an Dritte vermieten und so den Nutzungswert der Wohnung zur Masse ziehen zu können. Kommt der Schuldner einem solchen berechtigten Verlangen nicht nach, verletzt er die sich aus der InsO ergebende Pflicht, sein zur Masse gehörendes Vermögen dem Verwalter zur Verfügung zu stellen, und verwirklicht dadurch den Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

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