Pharmaunternehmen zur Auskunft verurteilt
OLG Oldenburg 23.1.2014, 1 U 55/13Der Kläger macht einen Auskunftsanspruch hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen eines Medikaments mit dem Wirkstoff "Allopurinol" geltend. Das Medikament wird sehr häufig bei Gichterkrankungen insbes. zur Reduzierung der Harnsäure im Blut verordnet. Das Pharmaunternehmen weist in der verwendeten Packungsbeilage u.a. darauf hin, dass als Überempfindlichkeitsreaktion Abschälungen der Haut auftreten können sowie Hautveränderungen beobachtet wurden, die einer Verbrühung der Haut ähneln (Lyell-Syndrom = toxisch epidermale Nekrolyse (TEN) als Maximalkomplikation des Stevens-Johnson-Syndroms).
Der Kläger behauptet, er habe das Medikament von seinem Hausarzt verschrieben bekommen, nachdem bei einer Blutuntersuchung ein erhöhter Harnsäurewert festgestellt worden sei. Am elften Tag der Einnahme habe er sich plötzlich schwach gefühlt und es hätten sich grippeartige Symptome gezeigt. Nachdem er das Mittel abgesetzt habe, habe sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert, sondern verschlimmert. Es habe sich ein Ausschlag an seinem gesamten Körper ausgebreitet, die Augen seien entzündet und blutunterlaufen gewesen. Teilweise hätten sich aus dem Ausschlag große Blasen entwickelt. Nach Hautablösungen von mehr als 30 Prozent der Körperoberfläche sei er auf der Intensivstation behandelt worden.
Es sei eine toxisch epidermale Nekrolyse mit Augen- und Schleimhautbeteiligung diagnostiziert worden. Aufgrund dieser Erkrankung seien ihm in der Folgezeit alle Finger- und Fußnägel sowie sämtliche Zähne ausgefallen. Zudem sei eine starke Sehschwäche zurückgeblieben, die zur Fahruntüchtigkeit geführt habe. Der Kläger verlangt zur Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses gegen das beklagte Pharmaunternehmen gem. § 84a AMG Auskunft über die dort bekanntgewordenen Fälle und Verdachtsfälle von Neben- und Wechselwirkungen des Medikaments, insbes. bezogen auf das Stevens-Johnson-Syndrom und die TEN.
Das OLG gab der Klage statt. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Auskunftsanspruchs sind gegeben.
Vorliegend brauchte nicht konkret festgestellt werden, dass die vom Kläger geschilderte Erkrankung tatsächlich auf die Einnahme des Medikaments zurückzuführen ist. Für den Auskunftsanspruch reicht es insoweit aus, dass es im zeitlichen Zusammenhang mit der Einnahme des von dem Pharmaunternehmen vertriebenen Arzneimittels beim Kläger zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen gekommen ist und von einer TEN auszugehen ist, die eine nicht unerhebliche Verletzung der Gesundheit darstellt. Anders als beim späteren Schadensersatzanspruch genügt es, dass die Verursachung eines Schadens durch die Einnahme des Medikaments plausibel erscheint.