17.01.2017

Phosphat-Kartell: Geldbuße gegen Roullier-Gruppe bestätigt

Der EuGH hat die im Zusammenhang mit dem Phosphat-Kartell gegen die Roullier-Gruppe verhängte Geldbuße i.H.v. rd. 60 Mio. € bestätigt. Das EuG hat die sachliche Richtigkeit der von der Kommission im ordentlichen Verfahren vorgenommenen Beurteilung und die von ihr zur Berechnung der Geldbuße herangezogenen Gesichtspunkte ordnungsgemäß geprüft.

EuGH 12.1.2017, C-411/15 P
Der Sachverhalt:
Die EU-Kommission erlegte im Jahr 2010 sechs Gruppen von Herstellern, die sich an einem Preiskartell beteiligt und über eine Zeit von mehr als 30 Jahren den Markt für Futterphosphate unter sich aufgeteilt hatten, Geldbußen i.H.v. insgesamt rd. 176 Mio. € auf. Die betroffenen Unternehmen hatten im Rahmen dieses Kartells Absatzquoten nach Regionen und Kunden aufgeteilt und die Preise sowie in bestimmten Fällen die Verkaufsbedingungen abgestimmt. Der Roullier-Gruppe - zu ihr gehört deren Tochtergesellschaft Timab Industries - wurde wegen ihrer Beteiligung an diesem Kartell in der Zeit von 1993 bis 2004 eine Geldbuße i.H.v. rd. 60 Mio. € auferlegt.

Die Roullier-Gruppe wollte, als sie die ungefähre Höhe der Geldbuße erfuhr, die die Kommission gegen sie verhängen wollte, keinen Vergleich mit der Kommission schließen. Ein solcher Vergleich, den die den anderen in das Kartell verwickelten Gruppen mit der Kommission abschlossen, dient zur Vereinfachung des Verfahrens: Die betroffenen Unternehmen geben dabei ihre Beteiligung an dem Kartell zu, geben Verpflichtungszusagen ab und erhalten im Gegenzug eine Geldbußen-Ermäßigung von 10 %. Die Kommission wandte daher im Fall der Roullier-Gruppe das ordentliche Verfahren an. Dabei handelte es sich um das erste sog. Hybridverfahren, d.h., das Vergleichsverfahren und das ordentliche Verfahren wurden parallel durchgeführt.

Die Roullier-Gruppe erhob beim EuG Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission und auf Herabsetzung der Geldbuße. Sie warf der Kommission insbesondere vor, gegen sie eine Geldbuße verhängt zu haben, die über dem Höchstbetrag der im Vergleichsverfahren veranschlagten Bandbreite liege.

Das EuG wies die Klage ab. Die Kommission habe die Roullier-Gruppe nicht dafür bestraft, dass sie sich aus dem Vergleichsverfahren zurückgezogen habe, und dass sie an die im Rahmen des Vergleichsverfahrens genannte Bandbreite nicht gebunden sei. Das Rechtsmittel der Roullier-Gruppe hatte vor dem EuGH keinen Erfolg.

Gründe:
Die von der Kommission verhängte Geldbuße i.H.v. rd. 60 Mio. € ist nicht zu beanstanden.

Das EuG hat die sachliche Richtigkeit der von der Kommission im ordentlichen Verfahren vorgenommenen Beurteilung und die von ihr zur Berechnung der Geldbuße herangezogenen Gesichtspunkte ordnungsgemäß geprüft. Die Kommission durfte eine erneute Prüfung des Betrags der Geldbuße vornehmen und dabei dieselbe Methode anwenden, die zur Ermittlung der Bandbreite der Geldbußen angewandt wurde, die der Roullier-Gruppe im Vergleichsverfahren mitgeteilt wurden. Der EuGH stellt insoweit in Übereinstimmung mit dem EuG fest, dass die Kommission im ordentlichen Verfahren neue Informationen berücksichtigen musste, durch die sie gezwungen war, die Akten erneut zu prüfen, die berücksichtigte Dauer des Kartells neu festzulegen und die Geldbuße durch Nichtanwendung der von ihr im Vergleichsverfahren vorgeschlagenen Ermäßigungen anzupassen.

Die Roullier- Gruppe, die im Rahmen des Vergleichsverfahrens die von der Kommission zugrunde gelegte Dauer des Kartells (1978 bis 2004) nicht bestritten hatte, hat im ordentlichen Verfahren (mit Erfolg) geltend gemacht, dass sich ihre Beteiligung am Kartell auf die Jahre 1993 bis 2004 beschränkte. Die Roullier-Gruppe hätte somit vorhersehen können, dass das Bestreiten ihrer Beteiligung am Kartell in der Zeit von 1978 bis 1993 Auswirkungen auf die Ermäßigungen haben würde, die ihr bei der Festsetzung der Geldbuße gewährt werden konnten.

Dieses Paradoxon, das zu einer höheren Geldbuße für eine kürzere Dauer der Zuwiderhandlung führt, ist damit zu erklären, dass die Kommission im Vergleichsverfahren dazu bereit war, der Roullier-Gruppe zusätzliche Ermäßigungen für die Informationen zu gewähren, die von dieser in Bezug auf den Zeitraum von 1978 bis 1993 geliefert wurden. Da die Roullier-Gruppe ihre Beteiligung am Kartell für diesen Zeitraum schließlich bestritt, war die Kommission der Auffassung, dass der wesentliche Teil der vorgeschlagenen Ermäßigungen für den Zeitraum von 1993 bis 2004 nicht mehr anwendbar sei. Diese Änderung des Standpunkts der Roullier-Gruppe ist der Grund dafür, dass diese sich nicht auf den Grundsatz des berechtigten Vertrauens in die Aufrechterhaltung der von der Kommission im Vergleichsverfahren übermittelten Schätzungen berufen kann.

Es ist im Übrigen nicht zu erkennen, dass das EuG nicht innerhalb einer angemessenen Frist entschieden habe (das Verfahren vor dem Gericht dauerte ungefähr vier Jahre und neun Monate). Es ist mangels zusätzlicher von den Parteien vorgetragener Umstände nicht offensichtlich, dass das EuG seine Pflicht, die Rechtssache innerhalb angemessener Frist zu entscheiden, in hinreichend qualifizierter Weise verletzt hat.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuG PM Nr. 2 vom 12.1.2017
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