15.02.2024

Pishing-Angriff: Bank haftet nicht bei grob fahrlässig freigegebenem Überweisungsbetrag

Gibt ein Kunde mittels PushTAN und Verifizierung über eine Gesichtserkennung nach einer Phishing-Nachricht die temporäre Erhöhung seines Überweisungslimits und eine anschließende Überweisung frei, handelt er grob fahrlässig. Die Bank schuldet in diesem Fall nicht die Rückerstattung des überwiesenen Betrags.

OLG Frankfurt a.M. v. 6.12.2023 - 3 U 3/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Steuerberater in einer internationalen Sozietät. Er führt bei der Beklagten ein Girokonto. Online-Transaktionen bestätigt er mit dem sog. PushTAN-Verfahren. Sobald in seinem Online-Banking ein Auftrag erteilt wird, erhält er über die auf seinem Smartphone installierte PushTAN-App eine Benachrichtigung und wird zur Freigabe des Auftrags aufgefordert. Zusätzlich hat er eingestellt, dass seine Identität über die Gesichtserkennung des Smartphones bestätigt werden muss. Sein Überweisungslimit lag bei 10.000 €.

Der Kläger erhielt im September 2021 eine SMS mit dem Hinweis, dass sein Konto eingeschränkt worden sei. Es solle sich für ein neues Verfahren anmelden und hierzu einem Weblink folgen, der das Wort "Sparkasse" enthielt. Die im Absender der SMS genannte Telefonnummer hatte die Beklagte in der Vergangenheit bereits verwendet, um den Kläger über vorrübergehende Sperrungen nach Sicherheitsvorfällen zu informieren. Der Kläger folgte dem in der SMS angegebenen Link. Anschließend wurde er von einer männlichen Person angerufen und bestätigte auf Anweisung des Anrufers seinen Angaben nach "etwas" in der PushTAN-App der Beklagten. Am selben Tag wurde das Konto des Klägers mit einer Überweisung i.H.v. 49.999,99 € belastet und als Empfänger eine männliche Person mit Vor- und Nachnamen angegeben. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gutschrift dieses Betrags.

Das LG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehrt.

Die Gründe:
Die Beklagte schuldet im Ergebnis nicht die Gutschrift des Betrags, da der Kläger grob fahrlässig seine Pflichten verletzt hat.

Für die Limitänderung fordert die Beklagte eine starke Kundenauthentifizierung mit PIN und PushTAN. Gemäß den Aufzeichnungen der Beklagten wurde am Tag der Überweisung eine PushTAN-Freigabe für ein temporäres Tageslimit von 50.000 € angefordert, die per Gesichtserkennung auch erteilt wurde. Von derselben IP-Adresse aus wurde nachfolgend eine PushTAN-Freigabe für die streitgegenständliche Überweisung über 49.999,99 € angefordert und ebenfalls per Gesichtserkennung erteilt. Damit ist der Vortrag des Klägers, nur einmal "etwas" in seiner PushTAN-App mittels Gesichtskennung bestätigt zu haben, nicht glaubhaft. Aufgrund der beruflichen Qualifikation des Klägers kann unterstellt werden, dass er in geschäftlichen Dingen grundsätzlich erfahren ist. Er berichtet selbst, Online-und Telefonbanking bei mehreren Instituten zu nutzen und mit den grundlegenden Funktionen von Banking- bzw. TAN-Apps vertraut zu sein. Da die Erinnerung des Klägers an Nebendetails des Ablaufs sehr ungenau war, spricht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch seine Erinnerung an die Anzahl der von ihm abgegebenen PushTAN-Bestätigungen unzuverlässig ist.

Der Kläger hat durch die Bestätigung von PushTANs auf Anforderung des Anrufers hin gegen seine Verpflichtung, Sicherheitsmerkmale vor unbefugten Zugriff zu schützen, verstoßen und einem unbekannten Dritten Zugriff auf ein personalisiertes Sicherheits­merkmal gewährt. Dadurch hat er faktisch die Kontrolle über das Authentifizierungsinstrument PushTAN in die Hände des Anrufers gelegt. Die Freigabe einer PushTAN auf telefonischen Zuruf hin begründet den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit in objektiver und subjektiver Hinsicht. Bei der Freigabeaufforderung wird dem Kunden grundsätzlich angezeigt, für welchen konkreten Vorgang - etwa eine Überweisung in konkreter Höhe - die TAN geschaffen wurde. Beachtet ein Kunde diese deutlichen Hinweise nicht und erteilt die Freigabe, ohne auf die Anzeige zu achten, liegt hierin kein bloß einfach fahrlässiger Pflichtverstoß mehr. Denn bei Nutzung einer App, die explizit der Freigabe von Finanztransaktionen dient, muss es im Allgemeinen jedem einleuchten, dass die Anzeige zur Kenntnis zu nehmen und gründlich zu prüfen ist.

Soweit sich der Kläger auf einen atypischen Ablauf in der App beruft, auf die er durch den Klick auf den in der SMS angegebenen Link geraten ist, kann ihm nicht entgangen sein, dass sämtliche Banken seit Jahren vor sog. Phishing-Nachrichten warnen. Diese erwecken den ersten Eindruck, von einem Zahlungsdiensteanbieter zu stammen, führen typischerweise aber zu gefälschten Websites. Dieses kriminelle Phänomen wird seit 2006 öffentlich breit diskutiert. Hier handelt es sich offensichtlich um eine derartige Phishing-Nachricht. Dies musste der Kläger auch spätestens nach der Aufforderung, persönliche Sicherheitsmerkmale im Rahmen einer von ihm selbst als "atypisch" wahrgenommenen Umgebung freizugeben, erkennen. Spätestens an diesem Punkt hätte die Überlegung ganz nahegelegen, dass er einem Betrugsversuch aufgesessen war.

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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 9 vom 14.2.2023
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