02.12.2024

Plattform für Fußballtickets: Wettbewerbsverhältnis unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerblichen Wechselwirkung

Die Leistung eines Plattformbetreibers, der Angebote Dritter vermittelt, ohne selbst die von Dritten angebotenen Produkte anzubieten, ist nicht mit dem Angebot dieser Produkte austauschbar, so dass es unter diesem Gesichtspunkt an einer Stellung des Plattformbetreibers als Mitwerber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG a.F.) fehlt. Zwischen dem Betreiber einer Plattform, auf der Dritte gegen eine Servicegebühr Eintrittskarten für Fußballspiele eines kommerziellen Veranstalters anbieten, und diesem Veranstalter besteht ein Wettbewerbsverhältnis unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerblichen Wechselwirkung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG a.F.), wenn werbliche Maßnahmen des Plattformbetreibers zur Förderung des Absatzes auf der Plattform geeignet sind, sich nachteilig auf geschäftliches Ansehen und Tätigkeit des Veranstalters auszuwirken.

BGH v. 21.11.2024 - I ZR 107/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Zusammenschluss der 36 Vereine und Kapitalgesellschaften der 1. und 2. Fußball-Bundesliga. Sie veranstaltet jährlich ein Spiel um den DFL-Supercup. Die Beklagte betreibt eine Online-Ticketbörse. Für Ticketverkäufe über diese Börse erhält sie eine Servicegebühr. Beim DFL-Supercup am 3.8.2019 trafen die Clubs Borussia Dortmund und FC Bayern München aufeinander. Die Klägerin erwarb im Rahmen eines Testkaufs am 14.6.2019 Tickets für dieses Spiel über die Plattform der Beklagten.

Mit ihrer Klage beanstandet die Klägerin, dass die Beklagte den Verkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen der Klägerin ermögliche, bevor für die jeweilige Veranstaltung bei der Klägerin oder autorisierten Stellen Karten verfügbar seien (Klageantrag 1). Bei dem Testkauf gab die Beklagte verschiedene, mit den Klageanträgen 2 a) und b) angegriffene Garantieerklärungen ab. Während des Testkaufs erschienen Angaben zur Verfügbarkeit der Karten, die mit dem Klageantrag 3 angegriffen werden. Namen und Anschrift des Verkäufers wurden dem Käufer weder vor noch nach dem Vertragsschluss genannt, wie die Klägerin ebenfalls mit der Klage angreift (Klageantrag 4). Schließlich wendet sich die Klägerin dagegen, dass das Impressum der Internetseite der Beklagten keine E-Mail-Adresse enthielt (Klageantrag 5).

Die Klägerin hält das Vorgehen der Beklagten unter den Gesichtspunkten der Irreführung und Informationspflichtverletzung für unlauter.

Das LG gab der Klage überwiegend statt und verurteilte die Beklagte weitgehend antragsgemäß zur Unterlassung. Das OLG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann der Klägerin die Anspruchsberechtigung als Mitbewerberin i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht abgesprochen werden.

Die Auffassung des OLG, ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis bestehe nicht unter dem Gesichtspunkt des Substitutionswettbewerbs, hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das OLG hat nicht feststellen können, dass die Beklagte selbst Eintrittskarten für das Spiel um den DFL-Supercup verkauft, und hierzu ausgeführt: Die Klägerin habe nicht behauptet, dass das im Testkauf erworbene Ticket von der Beklagten verkauft worden sei. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte verkaufe selbst Eintrittskarten für Fußballveranstaltungen, habe die Beklagte wirksam bestritten, indem sie dies in Abrede gestellt habe. Soweit die Klägerin darauf verweise, dass es im "V Seller Team Manual - Stand Juli 2010" heiße: "we also sell tickets on the website", habe die Beklagte darauf verwiesen, dieses Handbuch sei schon Anfang 2017 durch die "Seller Terms of Use" ersetzt worden und habe im Zeitpunkt des Testkaufs am 14.6.2019 keine Gültigkeit mehr gehabt. Die Antwort der Klägerin, dies sei eine Schutzbehauptung, ersetze keinen substantiierten Vortrag. Diese Beurteilung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Würdigung des OLG, die Beklagte habe selbst keine Eintrittskarten - insbesondere nicht für das Spiel "DFL-Supercup 2019" - verkauft, sondern betreibe lediglich einen Marktplatz für Eintrittskarten. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen versuchen die Parteien nicht, gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen. Weder sind die Parteien auf dem gleichen sachlichen Markt noch in der gleichen Branche tätig. Die Klägerin verkauft Eintrittskarten im Erstverkauf. Die Beklagte stellt als Dienstleister gegen eine umsatzabhängige Vergütung eine Verkaufsplattform für den Verkauf von Eintrittskarten zur Verfügung. Eine Substituierbarkeit der Leistungen beider Parteien lässt sich nicht allein daraus ableiten, dass beide ihr Angebot an Fußballinteressierte richten, die Tickets für ein Spiel erwerben wollen. Die Ausrichtung der Leistungen an denselben Endkundenkreis reicht insoweit nicht aus. Denn die Parteien sind nicht lediglich auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen mit der gleichen Leistung befasst. Die Leistung eines Plattformbetreibers, der Angebote Dritter vermittelt, ohne selbst die von Dritten angebotenen Produkte anzubieten, ist nicht mit dem Angebot dieser Produkte austauschbar. Ein Wettbewerbsverhältnis kann sich in diesen Fällen allerdings unter dem Gesichtspunkt der Förderung fremden Wettbewerbs ergeben.

Soweit das OLG ein konkretes Wettbewerbsverhältnis - jenseits einer eigenen Anbieterstellung der Beklagten - mit der Erwägung verneint hat, die Tätigkeit der Beklagten beschränke sich darauf, gegen eine umsatzabhängige Vergütung eine Verkaufsplattform in Form eines virtuellen Schaufensters und einen technischen Weg zum Angebot bereitzuhalten, wendet es rechtsfehlerhaft einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab an und lässt infolgedessen wesentliche Umstände des Streitfalls außer Betracht. Das OLG hat nicht berücksichtigt, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Falle fehlender Substituierbarkeit der angebotenen Waren oder Dienstleistungen auch vorliegen kann, wenn zwischen den Vorteilen, welche die Beklagte als Betreiber eines Internetmarktplatzes zur Vermittlung von Wiederverkäufen von Tickets auf dem Zweitmarkt zu erreichen sucht, und den Nachteilen, welche die Klägerin als Direktvermarkter von Originaltickets auf dem Erstmarkt erleidet, eine Wechselwirkung und ein hinreichender wettbewerblicher Bezug bestehen. Da es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, dass das Wettbewerbsverhältnis erst durch diese Wettbewerbshandlung begründet worden ist, auch wenn die Parteien unterschiedlichen Branchen angehören.

Vorliegend kommt in Betracht, dass die für die Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses notwendige Wechselwirkung durch die mit der Klage beanstandeten Werbeaussagen begründet wird, die die Beklagte auf ihrer Internetplattform im Zuge des Verkaufsvorgangs von Eintrittskarten getätigt hat. Diese Aussagen, mit denen die Beklagte den Verkauf von Eintrittskarten für die Veranstaltung der Klägerin fördert, sind geeignet, sich nachteilig auf das Ansehen der Klägerin und die Vermarktung ihrer Fußballspiele auszuwirken. Dies betrifft die Bewerbung des Verkaufs von Eintrittskarten auf dem Marktplatz der Beklagten vor Beginn des Vorverkaufs der Klägerin, weil hierdurch der geschäftsschädigende Eindruck entstehen könnte, die Klägerin bevorzuge einen Vertriebskanal, der nicht ihrer durch soziale Erwägungen limitierten Preisgestaltung unterliegt. Weiter versteht der angesprochene Verkehr nach den vom OLG in Bezug genommenen Feststellungen des LG die Werbung für "garantierte Tickets" dahin, dass die Eintrittskarten ein Zutrittsrecht zur Veranstaltung der Klägerin vermitteln. Die darin liegende Bezugnahme auf die vermeintlich garantierte Leistung der Klägerin ist ebenfalls geeignet, eine geschäftsschädigende Beeinträchtigung ihres Ansehens zu verursachen, weil die Klägerin für Probleme beim Zutritt verantwortlich gemacht werden könnte, wenn Eintrittskarten nicht anerkannt werden.

Mehr zum Thema:

Wirtschaftsrecht | Gesellschaftsrecht

Unsere Online-Datenbanken im Bereich Wirtschaftsrecht und Gesellschaftsrecht bieten eine ausgezeichnete Kombination aus erstklassigen Fachzeitschriften, Kommentaren und Handbüchern. Die Module, mit denen alle relevanten Neuerungen topaktuell bereit gestellt werden. In der Hochleistungsdatenbank von Otto Schmidt. Auf Top-Inhalte online zugreifen u.a.: Scholz GmbHG Kommentar, Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht Kommentar, Zeitschriften DER BETRIEB, ZIP, AG, GmbHR, WM/WuB, Lutter/Hommelhoff GmbHG Kommentar, Kallmeyer UmwG Kommentar, Erman BGB Kommentar, Schwedhelm Die Unternehmensumwandlung. Premium-Inhalte, komplett verlinkt, mit komfortabler Navigation und einfacher Suche. Die Zeitschriften-App stellen wir exklusiv unseren Abonnenten zur Verfügung. Hier geht's zur Übersicht der Module.
BGH online
Zurück