Private Krankenversicherung: Zur Erhebung von Risikozuschlägen bei einem Tarifwechsel
BGH 20.7.2016, IV ZR 45/16Der Kläger unterhielt bei der beklagten Versicherung seit 1983 für sich und seit 1993 zusätzlich für seine Ehefrau eine private Krankenversicherung. Bis Ende 2011 wandte sich der Kläger an die Beklagte mit dem Wunsch nach einem Tarifwechsel. Die Beklagte schlug ihm unter Berücksichtigung aller bekannten Vorerkrankungen und einer noch vorzunehmenden abschließenden Gesundheitsprüfung einen Zieltarif mit einer jährlichen Selbstbeteiligung i.H.v. je 500 € vor. Die monatliche Prämie sollte für den Kläger 277 € und für die Ehefrau 402 € betragen. In der Rubrik "Medizinischer Wagnisausgleich" befand sich keine Eintragung.
Mit Nachtrag zum Versicherungsschein stellte die Beklagte den Tarif rückwirkend zum 1.1.2012 auf der Grundlage der im Antrag genannten Gesamtprämien um, wobei anteilig für den Kläger und seine Ehefrau jeweils ein medizinischer Wagniszuschlag i.H.v. monatlich rund 75 € aufgeführt war. Der Kläger verlangte von der Beklagten die Streichung des Risikozuschlags. Diese lehnte die Beklagte ab.
Der Kläger begehrte zunächst die Feststellung, dass der Monatsbeitrag für ihn und seine Ehefrau ohne Wagnisausgleichzuschlag besteht und die Beklagte verpflichtet ist, die bereits vereinnahmten Beträge zurück zu erstatten. Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab der Klage weitestgehend statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Tarifwechsel gem. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 VVG zu. In einem solchen Fall kann der Versicherer, soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen.
Ist die Beklagte somit mithin grundsätzlich berechtigt, vom Kläger einen angemessenen Risikozuschlag zu verlangen, so ist bei dessen Berechnung jedoch zu beachten, dass es durch den Tarifwechsel nicht zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages kommt, sondern der bisherige Krankenversicherungsvertrag unter Wechsel des Tarifs fortgesetzt wird. Hieraus folgt, dass zu den aus dem Vertrag erworbenen Rechten auch die Bewertung des Gesundheitszustandes zählt, wie sie der Versicherer bei Abschluss des Vertrages im Herkunftstarif vorgenommen hat.
Hat der Versicherer auf dieser Grundlage eine Gesundheitsprüfung durchgeführt und das gesundheitliche Risiko eingeschätzt sowie die Entscheidung getroffen, den Versicherungsnehmer nach Maßgabe des derart festgestellten und bewerteten Gesundheitszustandes zu versichern, so erlangt der Versicherungsnehmer aus dieser Bewertung eine Position, die zu den "aus dem Vertrag erworbenen Rechten" gehört. Der Versicherer darf daher im weiteren Vertragsverlauf von dieser Einstufung nicht zuungunsten des Versicherten abweichen, und zwar auch dann nicht, wenn im Lichte späterer Erkenntnisse, etwa aufgrund des weiteren Krankheitsverlaufs oder neuerer Ergebnisse der medizinischen Forschung, die damalige Einstufung zu günstig war. Infolgedessen konnte die Beklagte den hier begehrten Risikozuschlag von je 75 € nicht beanspruchen.
Aus der Unwirksamkeit des von der Beklagten angesetzten Risikozuschlages folgt indessen - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht, dass die Beklagte daran gehindert wäre, vom Kläger und seiner Ehefrau überhaupt einen Risikozuschlag zu verlangen. So kann die Beklagte hinsichtlich der Mehrleistung, hier also der Differenz von bisherigem und künftigem behandlungsbezogenen Selbstbehalt, einen angemessenen Risikozuschlag auf der Grundlage einer insoweit zulässigen Gesundheitsprüfung verlangen. Die erforderlichen Feststellungen, ob und in welcher Höhe ein Risikozuschlag in Betracht kommt, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien zu treffen haben.
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