Publizieren von TV-Programm-Vorschauen im Internet stellt keine Berichterstattung über Tagesereignisse dar
BGH 27.3.2012, KZR 108/10Die Sendeunternehmen DSF, Kabel eins, RTL Television, RTL II, Super RTL, Sat 1, Pro-Sieben und VOX stellen in sog. "Presselounges" auf Internetseiten Texte und Bilder zur Vorankündigung und Bewerbung ihres Programms ein. Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft nach § 1 UrhWG. Sie nimmt als Treuhänderin u.a. das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung von Text- und Bildmaterial und ergänzend das Recht zur Vervielfältigung zum Zwecke der Programmankündigung der jeweiligen Sendung im Rahmen eines elektronischen Programmführers wahr.
Die Beklagte betreibt im Internet einen für die Nutzer kostenlosen werbefinanzierten elektronischen Programmführer. Dazu entnimmt sie ohne Zustimmung der Klägerin oder der ihr angeschlossenen Sendeunternehmen fortlaufend Programminformationen (Texte und Bilder) aus den Presselounges der Sendeunternehmen, indem sie diese herunterlädt, abspeichert und zur Darstellung ihres werbefinanzierten Angebots auf ihren Webservern zum Abruf durch die Allgemeinheit bereitstellt.
Die Klägerin nahm die Beklagte auf Unterlassung der Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und öffentlichen Zugänglichmachung von Text- und Bildmaterial (§ 19a UrhG) in Anspruch. Sie machte geltend, die Beklagte dürfe nicht fremdes, urheberrechtlich geschütztes Pro-grammbegleitmaterial anstelle von eigenen Anstrengungen zur Erzielung von Werbeeinnahmen kostenlos nutzen. LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung konnte ein Verstoß der Klägerin gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot nicht verneint werden.
Zwar hatte das Berufungsgericht zu Recht angenommen, die Übernahme des Text- und Bildmaterials sei nicht als Berichterstattung über Tagesereignisse i.S.v. § 50 UrhG zulässig. Die Anwendung des § 50 UrhG schied bereits deshalb aus, weil diese Texte nicht im Verlaufe der angekündigten Fernsehsendung wahrnehmbar sind. Die Einbeziehung einer möglichen "mittelbaren" Wahrnehmbarkeit in das Berichterstattungsrecht überschreitet in diesem Fall den möglichen Wortsinn der nach der ständigen BFH-Rechtsprechung grundsätzlich eng auszulegenden Schrankenbestimmung des § 50 UrhG.
§ 50 UrhG war auch deshalb nicht anwendbar, weil eine erlaubnis- und vergütungsfreie öffentliche Wiedergabe der Programminformationen durch die Beklagte nicht geboten war. Der Beklagten war es ohne Weiteres möglich und zumutbar, vor der Übernahme der in Rede stehenden Texte und Bilder aus den Presselounges in den elektronischen Programmführer die Zustimmung der Berechtigten einzuholen.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne gegenüber dem Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht einwenden, die Weigerung der Sendeunternehmen, ihr das Text- und Bildmaterial wie den Zeitschriftenverlagen kostenfrei zur Verfügung zu stellen, verstoße gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot, hielt hingegen der Nachprüfung nicht stand. Zum einen steht der Umstand, dass eine Verwertungsgesellschaft der Aufsicht durch das Patentamt
unterliegt (§§ 18 ff. UrhWG), der Geltendmachung des Einwandskartellrechtswidriger Ungleichbehandlung durch den von der Verwertungsgesellschaft auf Unterlassung in Anspruch genommenen Werknutzer nicht entgegen. Zum anderen konnte eine Ungleichbehandlung i.S.v. § 20 Abs. 1, 2. Alt. GWB nicht verneint werden. Schließlich stellen die Sendeunternehmen Printverlagen die Nutzungsrechte an Programminformationen in ihren Presselounges unentgeltlich zur Verfügung, behandeln also die Verlage und die Beklagte ungleich.
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